Große Themen, aber wenig Tiefe
Ein Roman über das prekäre Leben junger Frauen in einer durchökonomisierten Gesellschaft, das verspricht "Hustle" von Julia Bähr. Die Autorin, 1982 geboren, hat ihr Handwerk an der Deutschen Journalistenschule gelernt, arbeitet heute als freie Journalistin in den Bereichen Kultur und Gesellschaft und veröffentlichte bereits mehrere Romane, darunter die romantische Komödie "Sei mein Frosch". Mit "Hustle" versucht sie sich an einer schwarzen Satire über Kapitalismus, Moral und Freundschaft.
Worum geht’s genau?
Leonie lebt in München, einer Stadt, die für Normalverdienende unbezahlbar geworden ist. Als ihr das Geld ausgeht, findet sie Anschluss an drei Frauen, die sich ihren Lifestyle mit nicht ganz legalen Methoden finanzieren. Bald startet sie ihr eigenes „Geschäftsmodell“: Racheaktionen für gebrochene Herzen. Was als cleverer Hustle beginnt, wirft schnell große Fragen auf: Wie viel Risiko ist sie bereit einzugehen? Und wie viel Geld braucht man wirklich für ein gutes Leben?
Meine Meinung
Es war mein erstes Buch von Julia Bähr, und der Klappentext hat mich neugierig gemacht. Der Einstieg liest sich leicht, denn der Schreibstil ist flüssig und eingängig, die Seiten fliegen nur so dahin. Besonders gelungen fand ich, wie authentisch München beschrieben wird: unbezahlbare Wohnungen voller Schimmel, verdrängte Geschäfte, Gentrifizierung auf jedem Straßenzug. Hier spürt man, dass die Autorin selbst lange dort gelebt hat. Szenen wie „München ist ein Fuckboy“ (S.129) oder die Schilderungen der absurden Wohnsituation sind bitterwitzig und treffen den Nerv.
Leider konnte mich die Geschichte insgesamt aber nicht überzeugen. Die Kapitel sind sehr kurz – was ich normalerweise mag – aber hier fehlte es mir an Tiefe. Vor allem über die vier Freundinnen hätte ich gerne deutlich mehr erfahren. Viele angerissene Themen und Szenen wirkten vielversprechend, wurden aber nicht konsequent weitergeführt. Dadurch fühlte sich die Handlung oft richtungslos an. Besonders das Ende bricht eher abrupt ab, ohne eine klare Spannungskurve zu entfalten. Für mich wirkte es, als wolle das Buch sehr viel gleichzeitig (Kapitalismuskritik, Freundinnenschaft, Satire), aber am Ende wird eben alles nur angedeutet und angeschnitten.
Auch die Figuren blieben mir fremd. Leonie und ihre Mitstreiterinnen gingen mir emotional kaum nahe. Trotz einiger scharf beobachteter Szenen („Ich wollte nie wieder in dieses Büro gehen, nie wieder verantwortlich sein für Dinge, die andere verbockt hatten“ S.61) hatte ich am Ende das Gefühl, nicht verstanden zu haben, was die Autorin mir eigentlich mitgeben wollte. Manche Szenen erschienen mir zudem unglaubwürdig, andere Fragen blieben offen, die mehr Erklärung verdient hätten.
Zwar gibt es starke Stellen, etwa die Auseinandersetzung mit der Frage nach gerechtem Klauen („Wir leben in einer Stadt, in der Menschen mit normalen Jobs die Lebenshaltungskosten nicht decken können… Da ist Klauen doch für viele die einzige Lösung.“ S.121). Doch selbst hier hatte ich den Eindruck, dass die Themen eher angerissen als vertieft werden. Letztlich ordne ich den Roman weniger als Kapitalismuskritik ein, sondern eher als satirische Reaktion auf das dekadente Leben in teuren Städten. Dass die Figuren trotz anfänglicher Rebellion letztlich dem System verhaftet bleiben, verstärkt diesen Eindruck.
Fazit
"Hustle" hat zweifellos ein starkes Setting und einige kluge Beobachtungen, doch für mich blieb das Potenzial ungenutzt. Wer kurze Kapitel und satirische Seitenhiebe auf das urbane Großstadtleben mag, wird hier fündig. Wer Wert auf Figurenentwicklung, Tiefgang und eine klare Erzählrichtung legt, kann mit dem Buch wahrscheinlich auch wenig anfangen. Herzlichen Dank an Vorablesen & den Pola Verlag für das Rezensionsexemplar.
Worum geht’s genau?
Leonie lebt in München, einer Stadt, die für Normalverdienende unbezahlbar geworden ist. Als ihr das Geld ausgeht, findet sie Anschluss an drei Frauen, die sich ihren Lifestyle mit nicht ganz legalen Methoden finanzieren. Bald startet sie ihr eigenes „Geschäftsmodell“: Racheaktionen für gebrochene Herzen. Was als cleverer Hustle beginnt, wirft schnell große Fragen auf: Wie viel Risiko ist sie bereit einzugehen? Und wie viel Geld braucht man wirklich für ein gutes Leben?
Meine Meinung
Es war mein erstes Buch von Julia Bähr, und der Klappentext hat mich neugierig gemacht. Der Einstieg liest sich leicht, denn der Schreibstil ist flüssig und eingängig, die Seiten fliegen nur so dahin. Besonders gelungen fand ich, wie authentisch München beschrieben wird: unbezahlbare Wohnungen voller Schimmel, verdrängte Geschäfte, Gentrifizierung auf jedem Straßenzug. Hier spürt man, dass die Autorin selbst lange dort gelebt hat. Szenen wie „München ist ein Fuckboy“ (S.129) oder die Schilderungen der absurden Wohnsituation sind bitterwitzig und treffen den Nerv.
Leider konnte mich die Geschichte insgesamt aber nicht überzeugen. Die Kapitel sind sehr kurz – was ich normalerweise mag – aber hier fehlte es mir an Tiefe. Vor allem über die vier Freundinnen hätte ich gerne deutlich mehr erfahren. Viele angerissene Themen und Szenen wirkten vielversprechend, wurden aber nicht konsequent weitergeführt. Dadurch fühlte sich die Handlung oft richtungslos an. Besonders das Ende bricht eher abrupt ab, ohne eine klare Spannungskurve zu entfalten. Für mich wirkte es, als wolle das Buch sehr viel gleichzeitig (Kapitalismuskritik, Freundinnenschaft, Satire), aber am Ende wird eben alles nur angedeutet und angeschnitten.
Auch die Figuren blieben mir fremd. Leonie und ihre Mitstreiterinnen gingen mir emotional kaum nahe. Trotz einiger scharf beobachteter Szenen („Ich wollte nie wieder in dieses Büro gehen, nie wieder verantwortlich sein für Dinge, die andere verbockt hatten“ S.61) hatte ich am Ende das Gefühl, nicht verstanden zu haben, was die Autorin mir eigentlich mitgeben wollte. Manche Szenen erschienen mir zudem unglaubwürdig, andere Fragen blieben offen, die mehr Erklärung verdient hätten.
Zwar gibt es starke Stellen, etwa die Auseinandersetzung mit der Frage nach gerechtem Klauen („Wir leben in einer Stadt, in der Menschen mit normalen Jobs die Lebenshaltungskosten nicht decken können… Da ist Klauen doch für viele die einzige Lösung.“ S.121). Doch selbst hier hatte ich den Eindruck, dass die Themen eher angerissen als vertieft werden. Letztlich ordne ich den Roman weniger als Kapitalismuskritik ein, sondern eher als satirische Reaktion auf das dekadente Leben in teuren Städten. Dass die Figuren trotz anfänglicher Rebellion letztlich dem System verhaftet bleiben, verstärkt diesen Eindruck.
Fazit
"Hustle" hat zweifellos ein starkes Setting und einige kluge Beobachtungen, doch für mich blieb das Potenzial ungenutzt. Wer kurze Kapitel und satirische Seitenhiebe auf das urbane Großstadtleben mag, wird hier fündig. Wer Wert auf Figurenentwicklung, Tiefgang und eine klare Erzählrichtung legt, kann mit dem Buch wahrscheinlich auch wenig anfangen. Herzlichen Dank an Vorablesen & den Pola Verlag für das Rezensionsexemplar.