Von Hustle und Hürden

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„Hustle" von Julia Bähr ist für mich ein Buch voller Gegensätze. Was mich sofort überzeugt hat, war die Sprache. Diese ist flüssig, anschaulich, leicht sarkastisch und mit etwas Humor versehen. Julia Bähr gelingt es, gesellschaftskritische Themen einzuflechten, ohne belehrend zu wirken. Auch die queeren Elemente sowie die Ansätze von Female Rage fand ich spannend. Dadurch entsteht ein Tonfall, der angenehm modern wirkt und mich der Gegenwart geht.
Die Figuren hingegen bleiben ein zwiespältiger Punkt. Zwar mochte ich die meisten Charaktere, allerdings blieben viele eher blass. Lediglich Leonie als Protagonistin habe ich mehr kennenlernen können. Bei den Handlungen konnte ich zudem nicht immer folgen. Manche Entscheidungen, insbesondere von Leonie selbst, wirkten für mich nicht nachvollziehbar oder blieben unaufgelöst. Insbesondere gegen Ende des Buches.
Das führt auch zu meinem größten Kritikpunkt, nämlich der Botschaft des Romans. Soll das Buch suggerieren, dass man sich durchs Leben hustlen muss – notfalls auch kriminell – um etwas zu erreichen? Auf den letzten Seiten nimmt die Kriminalität plötzlich stark zu, ohne dass dies größere Konsequenzen hätte oder eine klare Essenz sichtbar wird. Vieles schien wie nebenbei zu passieren, ohne echten Spannungsbogen oder roten Faden. Das Versprechen auf dem Cover „Bildet Banden und lest dieses Buch“, hatte bei mir große Erwartungen geweckt, die letztlich nicht erfüllt wurden.
Zwar ist Leonie als Protagonistin mit ihrer Liebe zur Naturwissenschaft interessant angelegt, doch bleibt sie für mich merkwürdig emotionslos. Ihre Reflexionen eröffnen Fragen, die jedoch selten beantwortet werden. So entsteht zwar keine Langeweile, aber auch kein wirklicher Sog. Am Ende hatte ich das Gefühl, dass mir Fokus und Motivation in der Erzählung fehlten. Sicherlich wurde Interpretationsspielraum für die Lesenden geschaffen, aber m.E. etwas zu stark.

Insgesamt liest sich „Hustle“ leicht weg, bringt wichtige Themen und einen großartigen Schreibstil mit. Dennoch verfehlte für mich die inhaltliche Schlagkraft. Ein Buch, das mehr andeutet, als es wirkt. Daher lässt es mich eher nachdenklich als begeistert zurück.