Filmisch, süffig, überzeichnet

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alasca Avatar

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Der dritte Berlin Noir von Johannes Groschupf frischt unsere Bekanntschaft mit der coolsten Polizistin der Welt auf: Romina Winter ist Romni, ziemlich taff und neu im rein männlichen Branddezernat – eine Strafversetzung, die vor allem ihre neuen Kollegen als Strafe empfinden.

Zu Anfang des Romans befinden sich alle weiblichen Protagonisten in der Opferrolle: Britta dient bei den „Jüngern Jachwes“ seit ihrem zwölften Lebensjahr als Projektionsfläche für den „Unflat der Frauen“; die engagierte Reporterin Jette hat einen prügelnden Freund, der sich nicht aus ihrer Wohnung werfen lassen will und Romina Winter wird von ihren Kollegen gemobbt und von der Ermittlungsarbeit ferngehalten.

Die männlichen Figuren sind sämtlich toxisch und/oder Loser. Da ist Radek, ehemaliger Fernfahrer, Puffgänger und Frauenschläger, der eine Radfahrerin totgefahren hat und sich seitdem arbeits- und obdachlos in seinem Bulli durch den Tag säuft. Laszlo ist Schriftstellerenkel und will Weltliteratur produzieren. Er hält es für eine Zumutung, Geld zu verdienen, wofür gibt es Freundinnen? Maurice ist Postzusteller in Ausbildung und in derselben Sekte wie Britta, die er gerne heiraten möchte, doch die ziert sich – warum nur? Er hat erotisch und existenziell solchen Druck, dass er sich nur Erleichterung verschaffen kann, wenn er Autos anzündet. Und das muss er immer öfter tun – Kreuzberg brennt und macht Schlagzeilen.

Die alten weißen Männer des Branddezernats stehen auf dem (Lösch-)Schlauch – nur Romina hat einen Ansatz, aber niemand hört auf sie. Sie sucht Verbündete und findet Jette, die einen Artikel über den „Polnischen Messias“ geschrieben hat. Dieser Messias ist Radek, dessen Bulli eines Abends von Maurice angezündet wird – Radek überlebt nur knapp und schwer verbrannt und nimmt das als göttliches Zeichen. Er wird fromm, beginnt zu missionieren und tritt eine Lawine der Verwicklungen los, an deren Ende „Die Stunde der Hyänen“ für reinen Tisch sorgt.

Das liest sich alles sehr cool, unterhaltsam und durchaus spannend, aber zunächst mal wenig thrillerhaft. Drive kriegt die Story erst auf den letzten 100 Seiten, dann aber richtig. Da entpuppt sich eine der Figuren auf eine Weise, die man nicht überraschend nennen kann, denn alles war vorher sorgfältig angelegt. Unerwartet kommt es trotzdem. Und dann laufen die Hyänen zu Hochform auf und lassen nichts anbrennen. Oder doch?

Eine schöne Nische hat Groschupf da in der deutschen Spannungsliteratur für sich gefunden; seine Berlin-Thriller sind höchst atmosphärisch und wunderbar düster, wie sich das für einen Noir gehört. Nur ein bisschen viel gewollt hat er mit diesem Roman: Sektenwahn, Kindesmissbrauch, Pyromanie, Beziehungsgewalt, Mobbing, Zwangsprostitution, Medienkritik, das alles wird in den schlanken Text ohne größeren Knirsch eingearbeitet, aber weniger wäre eleganter gewesen. Mir war es auch ein wenig zu plakativ mit der Frauenpower – nicht, dass es davon je zu viel geben könnte, aber die Analogie mit den Hyänen war mir zu extrem und überzeichnet. Das ganze Konstrukt macht mir Unbehagen - die guten, starken Frauen, die bösen, schwachen Männer. Die Grautöne fehlen - hätte diesen Roman eine Frau geschrieben, müsste sie sich männerhassende Emanze schimpfen lassen. Ein Risiko, das Groschupf nicht vermeiden muss.

Insgesamt gibt das in meiner Wertung nicht mehr als 3 Sterne, aber schlecht fand ich den Roman nicht. Etwas für Hauptstadt-Fans und Liebhaber von Noir-Filmen, sprachlich obendrein gewohnt souverän. So filmisch und süffig, wie Groschupfs Berlin-Romane sich lesen, kann es nicht mehr lange dauern, bis sie verfilmt werden.