Was für ein Buch! Großartig, schön, befremdend, durchgedreht.

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soetom Avatar

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Wo fängt man bei so einem Buch an, wenn man eine Rezension schreiben will? Mehr über den Inhalt sagen als im Klappentext steht, geht nicht ohne zu viel zu verraten.
Zusammenfassen, worum es geht, ist auch nicht einfach, weil es unendlich viele Details gibt, die immer neue Interpretationen ermöglichen.
Und ich kann noch nicht mal sagen, in welches Genre die Geschichte gehört.

Trotzdem ein Versuch, dem Buch gerecht zu werden:
Ich finde es großartig. Das ist natürlich sehr subjektiv. Ich mag Geschichten, die mit den Erwartungen und Lesegewohnheiten der Leser spielen. Das gelingt Antje Wagner hervorragend. Sie erzählt die Geschichte nämlich auf zwei Zeitebenen und gibt auf beiden nur Stück für Stück die Puzzlesteine frei, die nur allmählich ein Bild ergeben. Und das Bild verändert sich mit jeder neuen Facette. Das ist spannend geschrieben und hält den Leser wissbegierig, was als nächstes herauskommen wird.

Angenehm zu lesen ist das Ganze auch dadurch, dass es in meist recht kurze Abschnitte unterteilt ist. Dadurch kann man recht flexibel Pausen einlegen, ohne in der komplexen Geschichte den Überblick zu verlieren.
Und "dranbleiben" will man auch, weil es - unter anderem - eine Art Krimi ist. Recht früh wird klar, dass der Protagonistin ein Unrecht geschehen ist und sie auf einer Art Rachefeldzug ist. Die genauen Umstände kristallisieren sich erst im Laufe des Buches heraus, aber das "Wer war es?" ist ja ein probates Mittel, Leser bei der Stange zu halten.

Außerdem ist es eine sehr lebensnahe Geschichte über das Erwachsenwerden, über (missbrauchtes) Vertrauen und über Familie.
Dazu ist es auf eine merkwürdige Art auch eine Geschichte über die Natur und die in ihr liegenden Ressourcen, die wir in unserer Konsumgesellschaft vergessen haben. "Merkwürdig" ist es insofern, als dass es sich nicht in meine gewohnten Erzähl-Muster einfügt und oft einen leichten Drall in Fantasy-Elemente hat. Ich persönlich habe das aber nie als störend empfunden.
Und fast nur ungewollt nebenbei ist es eine einfühlsame Geschichte über den Umgang mit Menschen mit Behinderungen.

Es ist kein leichtes Buch, sondern erfordert einiges Mitdenken und sich darauf einlassen. Und die Fantasy-Einschläge muss man mögen. Aber wenn man sich darauf einlässt ist es eine Achterbahnfahrt durch Überraschungen, Emotionen und teils krasse Wendungen, die das Schicksal der Protagonistin immer wieder ganz anders erscheinen lassen.