Gute Idee - mittelmäßige Umsetzung

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mrsamy Avatar

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Ben ist neu in Maries Klasse und vom ersten Moment an, ist sie schwer verliebt. Seine Augen, seine Aussehen, sein Lächeln, all das bringt die Teenagerin auf Wolke sieben. Und Liebe macht bekanntlich blind. Während ihre Freundin Ellie schon nach relativ kurzer Zeit meint, dass Ben mitunter etwas strange ist, verwehrt sich Marie gegen jegliche Kritik an ihrem Schwarm. Und überhaupt haben sie und ihre gesamte Klasse bald ganz andere Probleme: In Messangernachrichten verbreiten sich Bilder, Geheimnisse und Fakes über die Klassenkameraden. Eine Atmosphäre voller Misstrauen und Angst entsteht. Doch Marie und ihre Freunde beschließen, den seltsamen Vorkommnissen auf den Grund zu gehen. Doch dem Geheimnis, dem sie dabei auf die Spur kommen, ist weitgrößer, als sie denken…

„I can see U“ kann man am besten als Jugendthriller bezeichnen. Insgesamt – das gleich vorweg – hat mich das Buch enttäuscht und zugleich positiv überrascht. Liest man nur den Klappentext, weiß man noch nicht, welches Thema eigentlich im Mittelpunkt steht, doch bereits der Blick aufs Cover nimmt einiges an Spannung. Das attraktive männliche Teen-Gesicht hat statt Pupillen, Pixel und so ist bereits von Anfang an klar, dass es sich bei Ben nicht um einen normalen Mitschüler handeln kann. Dazu ist er auch zu sehr nichtmenschlich. Seinen Klassenkameraden schickt er gerne Links zu nützlichen Apps und Veranstaltungshinweisen, dann schickt er die ganze Klasse in einen Trampolinpark und schlägt danach ähnliche Aktivitäten vor. Natürlich hat er menschliches Gebaren und sieht und bewegt sich auch wie ein Mensch, aber dem Leser wird schnell klar, dass man es hier zwangläufig mit einer Maschine zu tun haben muss. Ich finde, das nimmt der Geschichte sehr viel Potenzial, weil der Aha-Moment einfach gar keine Chance hat. Vielmehr fragt man sich, warum Marie (und auch der ganze Rest der handelnden Personen) nur so blind sein kann. Marie ist es übrigens auch, die das Geschehen rückblickend erzählt, es mit Tinte aufs Papier bringt – offline.
Gut an diesem Buch finde ich seine Kritik an smarten Gegenständen und der digitalen Welt. Der Autor Matthias Morgenroth möchte – so zumindest meine Einschätzung – mit seinem Thriller für die Gefahren und Risiken, die von den neuen Technologien ausgehen sensibilisieren und erreichen, dass wir einmal unsere Nutzungsgewohnheiten hinterfragen. Der Mensch wird immer angreifbarer und gläserner, einen geschützten privaten Bereich gibt es, dank zahlreicher Smarthomelösungen, kaum mehr. „I can see U“ leistet für mich einen wichtigen Aufklärungsbeitrag, der dabei allerdings nicht besonders differenziert ist. Letztlich ist es ein Buch für eine jüngere Zielgruppe, auch als Schullektüre kann es nicht schaden, da für mich vor allem der nachbereitende Dialog besonders wichtig wäre. Die Charaktere übrigens sind alle sehr glaubhaft und auch altersentsprechend dargestellt. Marie nervt mitunter mit ihrer extremen Verliebtheit, überzeugt dadurch allerdings auch als Mädchen in den besten Teeniejahren.
Fazit: Gute Idee – mittelmäßige Umsetzung