I Can't See U

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Mit „I can see u“ ist dem Journalisten Matthias Morgenroth ein weiteres spannendes und den Strom unseres fortschreitenden SocialMedia Lifes treffendes Kinder und Jugend-Buch gelungen.

"I can see u" ist nicht nur leicht lesbar und mitreißend geschrieben, auch die Charaktere sind alle wunderbar originell - ich habe sie gleich ins Herz geschlossen! Gerne lernte ich die Flieder liebende, eher introvertierte Romantikerin Marie kennen, die vom ersten Blick an in Bens „Sonnenaufgang-Augen“ hin und weg ist. Oder Maries Beste, die taffe Elli, die kritisch der modernsten SmartHome Technik noch nichts abgewinnen kann, dafür aber mit wildem Temperament ihrem Ex Boyfriend Marco das Leben schwer macht, sowie den lustigen „YouTube- Star“ Josh, der Marie stets zum Lachen bringt und in seiner Freizeit mit dem kleinen Bruder virtuelle Pokemons quer durch die Stadt jagt. Und dann gibt es da natürlich noch den geheimnisvollen Ben. Maries Schwarm ist freundlich, hilfsbereit und mit immer einem coolen passenden Spruch auf den Lippen macht er sich schnell in der Klasse beliebt. Seine Markenklamotten wirken auf Jungs inspirierend, die Mädels fliegen auf ihn und auch sonst schweißt er die Klassengemeinschaft mit seinem raschen Organisationstalent zusammen.
Eine Gemeinschaft, die zu zerfallen droht, als auf dem digitalen Jahrmarkt der Möglichkeiten brisante, teils gefakte Bilder auftauchen, lang gehütete Geheimnisse ausgeplaudert werden und jeder beginnt jeden zu verdächtigen. Plötzlich steht die Frage „Glaubst dus?“ im Klassenzimmer. Wem kann man überhaupt noch vertrauen? Und wer ist eigentlich dieser „the_true_frankenstein99“ überhaupt, der alles zu wissen scheint?

Schon zu Beginn werden wir als Leser mit zahlreichen Rund-Um Informationen gefüttert. So lernen wir bereits auf den ersten Seiten durch Zeitsprünge Marie nicht als braves verliebtes Schulmädchen, sondern als gewaltbereites Opfer kennen. Wir lesen mit „I Can See U“ ihr Tagebuch, eine mit Tinte geschriebene Geschichte, „damit mir niemand die Worte verfälschen kann, denn geschrieben ist geschrieben – aber eben nur, wenn es Papier ist und wenn es keine Pixel sind.“ und werden von ihr aufgefordert, ihre Aufzeichnungen mit „Ehrfurcht“ und „Furcht“ zu lesen. 2 Begriffe, die meinem Empfinden nach für den Inhalt dieses Romans und allem was da noch kommt, nicht passender sein könnten. Früh im Text bekommen wir bereits Einblick in einige Mails, die zwischen einem gewissen „Michi“ und seinem derzeit in Singapur Lebenden Studienfreund „Sokrates59“ über soziale Experimente, Prävention und fortschreitender Digitalisierung ausgetauscht werden. Spätestens jetzt war meine Neugierde als Leserin vollkommen geweckt.
Auch mein Lese-Auge wurde wacher, sodass ich früh diverse Vermutungen hatte, in welche Richtung sich die Geschichte weiterentwickeln würde, was eine gewisse Vorhersehbarkeit mit sich brachte. Dies ist für mich auch der Haupt-Kritikpunkt an dem Text. Ich hätte mir gewünscht, dass Anfangs etwas spärlicher mit den Informationen umgegangen worden wäre sodass wir als Leser, genau wie Marie, eine größere Überraschung erlebt hätten. Ist das erste Rätsel gelöst, löst sich für mich auch ein Großteil der Spannung auf und es wird ein anderer Fokus gesetzt, der die Geschichte aber schließlich abrundet.

Fazit: Ein beeindruckendes, absolut lesenswertes Werk rund um das Thema Jugend, Liebe und SocialMedia. Das Buch kratzt an dem Rand einer nahenden Dystopie und setzt sich packend geschrieben mit den Chancen und Gefahren unserer stetig wachsenden Technik auseinander. Es lädt dazu ein, hin zuschauen. Was wir teilen. Wann. Mit wem. Und uns bewusst zu werden, was für unser Leben, egal ob Teen oder Grandma, wirklich zählt.