Danke für dieses bunte, laute, knallige, herzerwärmende Feuerwerk

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frau.gedankenreich Avatar

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"So beginnt sie jeden Tag ihres Lebens. Sie geht durch die Hölle und bemalt sie mit rosa Nagellack." [S. 364]

"I Kissed Shara Wheeler" stand dieses Jahr ganz weit oben auf meiner Leseliste. Von Casey McQuiston hatte ich bis jetzt nichts gelesen, wusste aber um die große Beliebtheit der Autorin. Im Nachhinein verstehe ich auch den Grund dafür.
Was für ein buntes, lautes, knalliges, herzerwärmendes Feuerwerk war das denn bitte!?! Ich liebe dieses Buch so sehr, dass ich gar nicht genau weiß, wie ich das im Detail ausdrücken soll. Ich habe es gefühlt und bin auf eine Weise darin abgetaucht wie schon lange nicht mehr.
Die Grundidee, dass Shara Wheeler, quasi völlig aus dem Nichts heraus, ein queeres Mädchen küsst, dann sang- und klanglos verschwindet um anschließend eine Art Schnitzeljagd um das Geheimnis ihres Aufenthaltsorts zu veranstalten, hat mich von Anfang an gereizt. Wieviel mehr letztlich aber dahintersteckt, habe ich allerdings nicht erwartet.
Für mich mit Abstand eine der besten "coming of age" - Geschichten die ich bislang gelesen habe.
Komplexe, unbequeme Charaktere, die nicht immer nett, nicht immer höflich, sondern auch mal wütend sind, falsche Entscheidungen treffen, auch mal ausrasten, sich entwickeln und bemerkbar machen.
Das Buch ist ein Paradebeispiel dafür, dass Selbstfindung ein schmerzhafter, verwirrender, bescheuerter und sehr emotionaler Prozess sein kann. Gerade für queere, junge Menschen in einem auf kontinuierliche Anpassung ausgerichteten Umfeld, wie zum Beispiel einer konservativen Religionsgemeimschaft.
Auch wenn sich diese Thematik sicherlich nicht nur auf die LGBTQIA+ - Community beschränkt, denn jeder Mensch führt irgendeine Art von Kampf auf dem steinigen Weg zu sich selbst.
In dem Buch geht es aber darum die "Queerness" zu feiern und deswegen dürfen neben Chloe und Shara auch die Nebencharaktere ihre Geschichten erzählen und müssen nicht als undankbarer "Plot Device" herhalten. Ich habe jeden einzelnen von ihnen ins Herz geschlossen. Man merkt, wie sehr die Autorin die queere Community liebt. Sie weiß worüber sie schreibt und schafft Sichtbarkeit, wo es dringend nötig ist, denn der Wert eines Menschen hat null komma nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun.
Chloe Green selbst ist eine so tolle fiktive Persönlichkeit. Ihr bissiger, innerer Berserker hat für viele lustige, skurrile Momente und lebhafte Zerstörung des Konservatismus gesorgt. Eine Galionsfigur mit Schwächen, mit der ich mich sehr wohlgefühlt habe.
Ich kann mir vorstellen, dass dies wieder einmal eins dieser Bücher ist, bei dem sich die Geister scheiden, wie es so schön heißt; weil zum Beispiel 0815-Charaktere, die Reibungsfläche wie ein Stück Butter anbieten, so viel einfacher zu konsumieren sind.
Wer nach so etwas sucht, sollte sich anderen Büchern widmen. Allen anderen wünsche ich viel Spaß mit dieser besonderen, lauten, fies-flauschigen Geschichte voller vielschichtiger Charaktere und bedeutungsvollen Inhalten.