Zerfallene Freundschaft

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
gkw Avatar

Von

Das Buch ist ein ganz sicherer Kandidat für meine "Best of 24" - Liste.
Die Ich-Erzählerin Hanna ist um die 40, ein eher ruhiger, zurückhaltender Mensch. Sie ist einsam und das hat nichts mit der Pandemie zu tun. In der Kindheit in den 80er Jahren war sie Teil eines Dreiergespanns mit der lebhaften Zeyna und Cem, der eine Art Ausgleich zwischen ihnen war. Sie wuchsen im Ruhrgebiet auf, beide Mädchen ohne Mutter, das verband. Ansonsten waren sie sehr unterschiedlich: Zeyna spürte immer die Freiheit, eines Tages alles zu tun und zu werden, Hanna spürte immer nur Enge und Beschränkung.
Erste Risse kamen mit den Terroranschlägen vom 11.9.2011. Zeyna und Cem waren auf der einen Seite, angefeindet und argwöhnisch beobachtet, Hanna allein auf der anderen Seite. Für Zeyna war dies eine essentielle Erfahrung. Ab da fühlte sie sich heimatlos, wusste, dass sie nie irgendwo ganz dazugehören würde und sich viele ihrer Träume nicht erfüllen würden. Dennoch konnten sie ihre Freundschaft halten bis zu einem Vorfall, der alles zum Einsturz brachte. Was da passierte erfährt man erst spät im Buch und das ist auch gut so.

Das Buch handelt von Einsamkeit und Freundschaft, von Verbindendem und Trennendem und von verschiedenen Herangehensweisen ans Leben: verzagt, realistisch, mutig.
An aktueller Thematik ist die Pandemie eingearbeitet und es wurde mir beim Lesen bewusst, wie viel aus dieser Zeit man schon wieder vergessen oder vielleicht auch verdrängt hat.

Rasha Khayat schreibt in schöner, poetischer Sprache. Ich habe mir Unmengen guter Textstellen herausgeschrieben und es war auch schnell klar, dass ich mir - schon allein wegen ihrer Art zu schreiben - auch ihren ersten Roman besorgen muss.
Ganz klare Leseempfehlung.