Einfühlsame Schilderung komplexer Beziehungen

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jersy Avatar

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Einfühlsam erzählt James Hynes die Geschichte eines Sklavenjungens, der in einem Bordell im alten Rom aufwächst, während das aufstrebende Christentum Regeln, Vorstellungen und das Leben der Leute ändert - oder auch nicht. Der historische Aspekt ist hierbei interessant eingewebt, aber nicht aufdringlich, der Fokus liegt auf den zwischenmenschlichen Beziehungen.
Das Buch und die Schilderung der Figuren ist frei von Scham, Urteil und Drama. Selbst antagonistische Figuren werden nicht als Schurken, sondern als komplexe Menschen dargestellt, was ich unglaublich schön und erfrischend fand. Die Schreibweise hat eine gewisse Nüchternheit, bleibt dabei aber mitreißend.
Schon vom Setting und dem Stand des Protagonisten wird klar, dass es zu grausamen Szenen kommen wird - diese sind aber stilvoll und in ertragbarem Maße geschildert. Den Großteil der Handlung bildet der Alltag des namenlosen Protagonisten und seine Beziehungen zu den Frauen, unter denen er aufwächst. Für mich waren alle "Wölfinen" interessante Persönlichkeiten, wobei der Fokus auf drei sehr unterschiedlichen Mutterfiguren liegt, die man besonders gut kennenlernt.
Ich habe den Roman sehr genossen und kann ihn allen empfehlen, die, so wie ich, beim Lesen gerne auf interessante Figuren mit komplizierten Verhältnissen zueinander treffen und für die die Handlung da auch ein bisschen in den Hintergrund rücken darf. Es geht hier nämlich nicht rasant und dramatisch zu, trotzdem ist das Buch von eindrücklichen Momenten gespickt. Wer sich in historischen Romanen gerne in der Zeit zurückversetzt fühlt, wird sich hier genauso wohlfühlen wie Leute, die mit dem antiken Rom gar nichts anfangen können