Auf den Spuren der "Bestie" der Auvergne

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missmarie Avatar

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„ ,Na ja, solche Leute, die früher wegen ihres Aussehens auch im Zirkus aufgetreten sind, wurden halt [als Freaks] bezeichnet. […] Die Frau mit dem Bart, der Elefantenmensch, siamesische Zwillinge…´ ,Genau: früher! Kein Grund, sie heute so zu nennen!`“

Fleur, die Protagonistin in Nina Blazons Roman „Ich träumte von einer Bestie“, ist Datenforensikerin und setzt sich mit Herzblut für diejenigen ein, die heute als freaks im Internet gehandelt werden. Ehrenamtlich versucht sie, Pädophilen das Handwerk zu legen und jungen Mädchen beizustehen, deren Nacktbilder ins Internet gelangen. Als ihr leiblicher Vater stirbt, zu dem die junge Frau schon seit der Kindheit keinen Kontakt mehr hat, geht ein unerwartetes Erbe in Luxemburg mit der Todesnachricht einher. Überredet von Bruder Max macht Fleur sich auf den Weg ins Nachbarland und von dort bald weiter nach Frankreich. Denn im Nachlass ihres Vaters findet sich die Ahnenforschungsergebnisse ihrer Großmutter und einen Hinweis auf einen Diebstahl einer Reliquie.

Der Leser begleitet Fleur bei ihren Recherchen im Ausland und taucht bald ein in eine sagenumwobene Welt rund um die Wolfsbestie in der Auvergne. Ein Werwolf oder eine Wolfsbestie soll dort für Angst und Schrecken gesorgt haben. Die Gräfin, die zur Jagd auf die Bestie bließ, ist möglicherweise eine ferne Verwandet von Fleur. Während der Recherchen lernt der Leser Fleur immer besser kennen. Die Figur wirkt anfangs sperrig, unfreundlich und unsympathisch, in ihrer kühlen Überlegtheit aber auch faszinierend. Je mehr man über ihre Geschichte erfährt, desto mehr Verständnis bringt man für die Protagonistin auf. Die ein oder andere geschickt gestreute Information führt zu einer überraschenden Wendung am Ende des Romans.

Obwohl „Ich träumte von einer Bestie“ eine ganz andere Geschichte erzählt, als jene, die ich beim Lesen des Klappentextes vermutet habe, habe ich mich gut unterhalten gefühlt. Ob einige Nebenhandlungen wie die Trennung von Fleurs Bruder von seiner Jugendliebe oder die Ermittlungen ihres Stiefvaters hier tatsächlich relevant sind, sei einmal dahingestellt. Insgesamt hat Nina Blazon mit diesem Roman den historisch belegten Stoff rund um die Bestie in der Auvergne gelungen literarische aufgearbeitet und dabei gezeigt, dass sie nicht nur Kinder- und Jugendliteratur überzeugend schreiben kann. Besonders überzeugt hat mich das unterschwellige Plädoyer, dass Andersartigkeit und Abnormalität keinen Unterhaltunsgeffekt hat und man sich daher zweimal fragen sollte, Bilder vermeintlicher freaks im Netz zu teilen.