Rotkäppchen und Allerleirauh, Jäger und Gejagte

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Ich bin kein Freund von Ich-Erzähler*Innen, die einen essentiellen, persönlichkeitsprägenden Teil ihrer Vergangenheit verschweigen, jedoch konstant auf diese düstere/schwierige/traumatisierende Erfahrung, die man als Leser lange Zeit nicht kennt, verweisen. Ich weiß, dass so Spannung aufgebaut werden soll, aber mich ärgert diese Taktik eher, als dass sie Interesse weckt.
Auch nachdem man rückblickend dann viele Entscheidungen und Reaktionen der Protagonistin besser verstehen kann, fand ich allerdings einige entscheidende ihrer Handlungen immer noch nicht nachvollziehbar, weshalb sie mir fremd und wenig sympathisch geblieben ist.
Das Beziehungsdreieck hat die Handlung für mich stellenweise zu sehr in eine Genre-Richtung gezogen, die mir nicht ganz zum Rest der Geschichte passen wollte.

Auch wenn für die Protagonistin mit ihrem IT-Hintergrund Worte wie "umgeswitcht" und "aufgeploppt" nicht fern liegen, fand ich diese doch zwischen den sonst stellenweise fast poetischen Beschreibungen störend und fehl am Platz - das ist allerdings persönlicher Geschmack.

Die Verwebung von einer modernen Digital-Native-Figur, die vor allem in gewählten Existenzen im Internet existiert, mit Märchen und den Legenden, auf denen sie basieren, ist auf jeden Fall ein sehr gelungener Kontrast. Auch die Parallele von realen Hetzjagden vergangener Zeiten auf Außenseiter zu den nicht weniger realen, noch viel weitreichenderen Hetzjagden der vernetzten Gegenwart ist ein sehr starkes Bild.

Die Geschichte hat mit stimmungsvollen Schauplätzen, gut charakterisierten Nebenfiguren und einem spannenden persönlichen wie auch historischen Hintergrund viele tolle Elemente für eine fesselnde Lektüre - mich konnte sie leider aus den genannten Gründen nicht ganz so packen, wie ich es wirklich gerne gewollt hätte.