Hélène und Monsieur Roger

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mrs-lucky Avatar

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Hélène ist 8 Jahre alt und lebt mit ihren Eltern sowie drei Schwestern in Kanada. Die Eltern sind zwar nicht arm, kommen aber finanziell nur gerade eben so über die Runden, da der Vater in seinem Lehrerberuf kreuzunglücklich ist und sein Leid all abendlich im Alkohol ertränkt. Hélène, die am liebsten Joe genannt wird, da sie sich gerne als Junge sieht wie die Heldin ihrer geliebten Zeichentrickserie Oscar, gibt sich als 10 aus, um an einen Job als Zeitungsausträgerin zu kommen. Mit dem verdienten Geld versucht sie die stets leere Haushaltskasse ihrer Mutter heimlich aufzustocken. Als der 80-jährige Roger in die Nachbarschaft zieht, ein vom Leben enttäuschter, oft laut fluchender bärbeißiger Zeitgenosse, entwickelt sich zwischen den beiden eine ungewöhnliche Freundschaft. Hélène ist intelligent und recht weit für ihr Alter, sie genießt es, von Roger ernst genommen und wie eine Erwachsene behandelt zu werden. Hélènes Mutter führt ein strenges Regiment und zeigt nur selten ihre weiche Seite, der Vater ist mit seinen eigenen Problemen beschäftigt, so dass die Schwestern früh selbständig werden müssen. Roger entwickelt sich trotz seines störrischen Charakters zu einem Freund und Beschützer für die ganze Familie.

Dieser Roman erzählt Episoden aus dem Leben von Hélène und bezieht sich dabei in erster Linie auf die Spanne zwischen ihrem neunten und elften Lebensjahr. Der Schwerpunkt liegt bei Hélène und ihrer Familie, entgegen dem Eindruck, den der Titel vermittelt, ist Roger eher eine Nebenfigur, wenngleich sehr wichtig für Hélène.

 

Anfangs störte mich der Erzählstil, der für eine 8-Jährige sehr gewählt und reif klingt, wenn man berücksichtigt, dass die Geschichte in einem Rückblick von der erwachsenen Hélène erzählt wird, passt der Stil zu ihrer umsichtigen, altklugen Art.

Es wechseln sich komische mit tragischen und bewegenden Szenen ab, an einigen Stellen wird der Roman philosophisch. Weder Hélène noch Roger gehen offen mit ihren Gefühlen um, Sympathien auch innerhalb Hélènes Familie zeigen sich eher durch versteckte Gesten. Die Mischung macht den Reiz des Romans aus, der mich mal zum Lachen gebracht und dann wieder zu Tränen gerührt hat. Titel und Klappentext täuschen etwas, da es Hélènes Beziehung zu Roger nicht im Mittelpunkt steht, sondern eher einer der Drehpunkte zu ihrer Entwicklung und Reifung dar stellt, dennoch kann ich den Band empfehlen.