Ich & Monsieur Roger

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Mit ihren acht Jahren ist Hélène ganz schön verantwortungsvoll, will sie doch ihrer Familie, die in einem ärmlichen Viertel wohnt und jeden Cent mehrfachen umdrehen muss, finanziell ein bisschen helfen. Dafür macht sie sich kurzerhand 2 Jahre älter und nennt sich Joe, um einen Job als Zeitungsausträger zu bekommen. Ihre Eltern sind Lehrer, der Vater todunglücklich in seinem Job und gibt sich zunehmend dem Alkohol in. Die Mutter – eigentlich eine Seele von Mensch – ist vom Leben gezeichnet, hält dennoch die Familie zusammen, wenn auch manchmal mit ein bisschen Härte. „Fertig aus“ ist ihrer Devise. Als dann der 80jährige Roger in die Gegend zieht, ist Joe zunächst nicht angetan von ihm, denn er ist alt und verbittert und flucht wie ein Rohrspatz. Doch zwischen den beiden ungewöhnlichen Charakteren entwickelt sich eine zarte Freundschaft.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen und der Schreibstil hat mich sofort eingesogen in die Geschichte. Er ist eher ungewöhnlich, mit langen Sätzen, sehr beschreibend und mit vielen Metaphern und obwohl aus Sicht der kleinen Hélène erzählt, erinnert der Schreibstil gar nicht an ein junges Mädchen. Die Geschichte lebt von vielen kleinen Ereignissen, manchmal sind es Alltagsdinge, die durch ihre ausführliche und dennoch pointierte Beschreibung ein gutes Bild der Familie zeichnen. Manche Situationen sind tragisch und zugleich komisch und lassen mich sowohl lächeln, aber auch nachdenken und mit dem Schicksal hadern.
Hélène wünscht sich nichts sehnlicher, als ein Junge zu sein und hat als Vorbild den jungen Oscar – einen Helden aus einer Zeichentrickserie. Die Vergleiche mit dem Fernsehhelden und die Gedanken Hélènes, die immer wieder um ihren Helden kreisen, sind toll und geschickt in die Geschichte eingebunden. Dass dann die Serie bald zu Ende geht und dies natürlich auch Einfluss auf Hélènes Leben hat, zeichnete sich natürlich ab und bringt eine Wendung in dem jungen Leben.
Hélène ist ein pfiffiges und aufmerksames junges Mädchen, das ich rasch ins Herz geschlossen habe. Es ist rührend, wie sie sich um die Familie sorgt und sie manchmal durch ihre Bemühungen zusammenzuhalten scheint. Roger, der grimmige und schrullige alte Herr, der vor allem flucht wie ein Rohrspatz, hat auch einen warmen und weichen Kern, dennoch ist er mir während des ganzen Buches nicht wirklich ans Herz gewachsen. Es entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen ihm und Hélène, und auch wenn man die zarte Bande zwischen beiden gespürt hat, hätte ich mir mehr gemeinsame Passagen und Zeiten zwischen den beiden gewünscht.
Dennoch ist das Buch eine wertvolle Erzählung über eine ungewöhnliche Freundschaft, vor allem aber über ein ungewöhnliches Mädchen, dem es gelingt, durch kleine Taten Großes zu bewegen. Ein wirklich bewegendes Buch, das zu lesen lohnt!