Monsieur Rogers Stuhl

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Einleitung/ Info

"Ich & Monsieur Roger" ein Roman von Marie-Renée Lavoie. Sie wurde 1974 geboren und unterrichtet Literatur am Collège de Maisonneuve in Montréal. Für ihren Debütroman wurde sie mit dem Prix Archambault ausgezeichnet.

Handlung

Hélène, nennt sich Joe. Lieber wäre ihr "Oscar", nach ihrer liebsten Zeichentrickheldin "Lady Oscar", aber der Name ist leider durch das Skelett im Biounterricht (und einen neuen besonders tollen Besen) vergeben. Deswegen also Joe. Joe möchte männlich und erwachsen sein. Für ihren Job als Zeitungsausträgerin macht sie sich zwei Jahre älter und behauptet zehn zu sein. Sie hat drei Schwestern, ihr Vater ihr Lehrer und ein melancholischer Alkoholiker, ihre Mutter die Fertig-aus-Mama erzieht ihre Töchter streng und gerecht.
Monsieur Roger ist achtzig und zieht in Joes Nachbarhaus ein. Er benutzt in jedem Satz mindestens ein Schimpfwort, die phantasievoller werden je mehr er trinkt und hat mit seinem Leben eigentlich schon abgeschlossen. Joe freundet sich nach anfänglichem Misstrauen mit ihm an und das Buch beschreibt ihre ungewöhnliche Freundschaft und Joes Alltagsleben.

Covergestaltung und Buchtitel

Der Buchtitel: passend. Das Cover: französisch, passend, schlicht, elegant, aber die Schuhe finde ich unnötig. Sie haben einfach keinen besonderen Bezug zum Inhalt. Ich hätte ein Bild von Monsieur Rogers Stuhl sehr viel passender gefunden.

Positives

Das Buch erzählt in leisen Tönen, wie Joe ihren Alltag meistert. Welche gewöhnlichen und ungewöhnlichen Dinge passieren, wie sie die Welt sieht und versucht sich in ihr zurechtzufinden. Die Sprache ist nicht kindlich, sondern so gehalten, als würde Joe als Erwachsene rückblickend ihre Kindheit erzählen.
Mir hat die Geschichte gut gefallen, auch wenn sie keine außergewöhnlichen Höhepunkte zu bieten hat, sondern leise dahinplätschert. Es gibt dennoch durchaus dramatische, aber auch sehr humorvolle und skurrile Momente. Man merkt dem Buch den französischen Stil an, aber zu der Geschichte passte es und mir gefällt das machmal.
Auch gut gefallen hat mir die Beschreibung der Familienverhältnisse. Auch wenn es eine harte Kindheit ist und die Familie nur gerade das Nötigste hat, gibt es doch immer Dinge, auf die sich die Kinder freuen können. Die Mutter ist zwar streng, aber sie hat gleichwohl eine große Zuneigung für ihre Kinder, die sie nur hinter ihrer Strenge verbirgt. Sie besitzt eine sehr große Intuition und Feinfühligkeit für die richtigen Momente, in denen sie ihre Zuneigung durchblicken lässt. Ich hatte immer das Gefühl, dass man seine Kinder trotz der schwierigen Verhältnisse nicht besser hätte erziehen können.
Am besten gefallen hat mir eine Stelle, die schon in der Leseprobe vorkam. Wenn Joe Roger dankt, indem sie dafür sorgt, dass sein Stuhl neu gepolstert und bezogen wird (Seite 116 ff.). Dann ihr erneutes Aufeinandertreffen, die kurze Unterhaltung. Das alles ist in so wunderbare Worte gekleidet, dass ich vor Rührung weinen und Lachen zugleich wollte.
Joe ist ein Mädchen, das man einfach gern haben muss.

Negatives

Bisweilen hatte ich das Gefühl, gewisse Dinge seien belanglos oder unnötig. Aber im Nachhinein hatte alles seinen Platz im Buch. Es ist keine aufregende, spannende Geschichte, aber wenn man das nicht erwartet, dann kann man damit eine schöne Lesezeit haben.

Fazit

Mir hat das Buch insgesamt gut gefallen. Ich habe Hélène lieb gewonnen und ihren Alltag gerne begleitet. Für mich ein schönes Leseerlebnis.