riesige Lust zu leben

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marialein Avatar

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Der Roman wird aus Sicht der jungen Hélène, alias Joe, erzählt. Sie lebt mit ihren Eltern und drei Schwestern in einer kleinen kanadischen Stadt, die unter anderem von den ehemaligen Insassen der nahegelegenen Irrenanstalt bewohnt wird.

Das Leben ist nicht leicht für die Familie. Regelmäßig wird das Geld knapp und der Vater ist mit seiner Arbeit als Lehrer äußerst unglücklich... Was Hélène über ihre Schwierigkeiten hinweg hilft, ist ihr großes Vorbild, die Zeichentrickheldin Oscar. Diese gibt sich, ganz wie Hélène, als Mann aus und setzt sich heroisch für Frieden und Gerechtigkeit ein.

Tatsächlich scheint diese Dosis Dramatik, die die Ich-Erzählerin ihrem Alltag verleiht, die ganz "gewöhnlichen" Schmerzen, Ängste und Enttäuschungen ihres Lebens erträglicher zu machen. Unfälle, Beinah-Vergewaltigungen, Todesfälle und andere Schicksalsschläge übersteht sie, indem sie sich mit ihrer Heldin identifiziert und versucht, ebenso tapfer zu sein wie sie.

Ganz anders als Oscar, jedoch auch eine große Hilfe und moralische Unterstützung, ist ihr Nachbar Monsieur Roger. Der achtzigjährige Witwer mit seinem vulgären Verhalten ist ihr auf Anhieb unsympathisch - und dennoch entwickelt sich bald eine Freundschaft zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Menschen. Es ist beeindruckend, wie viel Verbundenheit zwischen ihnen herrscht, wo sie sich doch die meiste Zeit nur beschimpfen. Aber bekanntlich ziehen sich Gegensätze ja an.

Über diese ungewöhnliche Freundschaft hinaus, die dem Roman ja immerhin seinen Namen gibt, handelt das Buch meiner Meinung nach vor allem davon, wie Menschen mit ihrem Leben fertig werden und welche Strategien sie dafür wählen. Ob man sich nun selbst mit acht Jahren selbstlos zur Heldin erklärt, die den Eltern sämtliche Lasten abnehmen will, ob man nur noch trinkt, flucht und den Tod herbeisehnt, ob man wie Hélènes Vater still vor sich hinleidet, oder ob man schlicht und einfach den Verstand verliert - irgendwie lebt jeder sein Leben auf seine Art, und irgendwie wird jedem früher oder später klar, dass das eigentlich ganz gut so ist.

Ein wunderschöner Roman mit liebenswerten Charakteren, Humor, spannenden Wendungen und einem überraschend optimistischen Ende. _Ich und Monsieur Roger_ ist genau das Richtige, wenn man zwischendurch mal etwas Aufmunterung oder aber auch eine Prise Heldenmut gebrauchen kann.