Nicht mein Held

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Ich hasse es, schlechte Rezensionen zu schreiben. Ich wünsche mir dann immer, ich hätte das Buch einfach nie gelesen, dann müsste ich es jetzt nicht schlecht bewerten. Manchmal versuche ich auch verzweifelt, an der Geschichte etwas Positives zu finden oder mir einen Leser/ eine Leserin vorzustellen, der/die Gefallen an der Geschichte finden könnte. Bei "Ich verliebe mich so leicht" fällt mir das alles leider ziemlich schwer. Ich muss mir im Nachhinein immer wieder in Erinnerung rufen, warum ich das Buch überhaupt lesen wollte.
Die Hauptgründe sind zum einen der großartige Ruf des Autors und zum anderen der eigenwillige Schreibstil, der mich in der Leseprobe neugierig gemacht hat. Ich finde es spannend, dass eine Liebesgeschichte aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers gezeigt werden soll, der die Figuren und ihre Gefühle besser kennt und bewerten kann, als sie sich selbst. Das Problem bei "Ich verliebe mich so leicht" ist allerdings, dass dieser experimentelle Stil nicht darüber hinwegtrösten kann, wie inhaltslos das Buch und wie verblendet der Protagonist in diesem Fall sind.
Auf 112 Seiten wird von einem Mann in seinen mittleren Jahren berichtet, der mit einer deutlich jüngeren Frau eine sexuelle Beziehung gehabt hat und sich nun einredet, in sie verliebt zu sein und sogar ein gewisses Anrecht auf sie zu haben. Ihr klares Nein und die Tatsache, dass sie das Verhältnis beenden möchte, will er nicht wirklich akzeptieren und glaubt, sie manipulieren zu können. Viel mehr noch: Er denkt, dass ihr Nein vielleicht doch ein Ja sein könnte, sie aus diesem oder jenem Grund nur einfach nicht zugeben möchte, dass auch sie Gefühle für ihn hat. Das alles finde ich grundsätzlich schon allein auf inhaltlicher Ebene sehr schwierig. Es könnte vielleicht funktionieren, wenn der allwissende Erzähler so bissig und sarkastisch geschrieben worden wäre, dass er seinen Protagonisten vorführt und den Lesenden aufzeigt, wo die großen Fehler in dessen Denkweise liegt. Leider aber ist das nicht der Fall. Im Gegenteil. Der Text wirkt eher so, als wolle er Mitleid für den armen Protagonisten erwecken, der so viel auf sich genommen hat und extra nach Schottland gereist ist, nur um dann von der Frau seines Herzens abgewiesen zu werden. Mein Mitleid jedenfalls hält sich in engen Grenzen. Na gut, eigentlich habe ich gar keines. Ich ärgere mich mehr darüber, dass das Buch nicht klarer sagt, wie problematisch die Konstellation ist. Schon allein, bei der Art und Weise, wie der Protagonist die Frau, in die er angeblich verliebt sein soll, betrachtet, stellen sich mir die Haare zu Berge.
Massiv gestört hat mich außerdem, dass der Erzähler den Mann immer wieder als "Unser Held" bezeichnet. Ich sehe wirklich gar nichts Heldenhaftes in dieser Person. Er ist kein verzweifelter Liebender. Da ist absolut nichts, was Liebe oder auch nur Verliebtheit erklärt oder begründet. Er ist nur ein trotzköpfiger Typ, der keinen Korb einstecken kann.
Es tut mir schrecklich leid, dass ich das sagen muss, aber in diesem Fall sind mir selbst 112 Seiten noch zu viel gewesen. Normalerweise mag ich an kurzen Büchern, dass sie oft sehr verdichtet, sprachlich präzise und mit einem steilen Spannungsbogen ausgestattet sind. Das alles habe ich hier einfach nicht gefunden, so sehr ich mich auch bemüht habe.