Seltsam folgenlos

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singstar72 Avatar

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Das erste Wort, das mir zu diesem Büchlein einfällt (Buch mag ich es nicht nennen), ist "seltsam". Von der Leseprobe hatte ich mir noch sehr viel versprochen, da ich von der Sprache und der ironischen Haltung des Erzählers fasziniert war. Doch irgendwie verbleibt alles im Ungefähren. Über ein mittleres Gefühl des "Unterhaltenwerdens" geht es, bei aller Liebe, bei mir nicht hinaus.

Ein wenig klüger wurde ich, als ich ins Impressum schaute. Aha, die Originalfassung stammt bereits aus dem Jahr 2007! Es ist also mitnichten das "neue" Werk des Autors der "Anomalie". Vermutlich ist es eine Skizze, die im Zuge des großen Erfolges wieder ausgegraben wurde.

Zum Inhalt kann man fast nichts sagen - die Schilderung der Handlung dauert gefühlt genau so lange wie das Buch selbst, ist also denkbar dünn. Ein Mann mittleren Alters reist einer Affäre hinterher - und wird nicht gerade begeistert empfangen. Er kreist in seinen Gedanken um sich selber, zergeht sich in Selbstqual. Und fliegt nach nicht einmal zwei Tagen (und gerade mal 100 Seiten, wenn man die Leerseiten abzieht) ergebnislos wieder zurück.

Dennoch, ohne Können ist dieser Text nicht verfasst worden. Die Sprache und Ausdrucksweise ist schon sehr französisch; das kam auch in der Übersetzung gut rüber. Geschickt fand ich den Einsatz des "Erzählers", und der Kapitelüberschriften. So wird Distanz zum Helden aufgebaut, und es liest sich ein klein wenig wie ein Lehrstück, ja beinahe wie eine Moritat.

Befremdet bin ich allerdings auch von mehreren Tatsachen. Die weibliche Perspektive fehlt nahezu völlig - man hat nur die Gedanken des Erzählers. Ich hatte mir auch "mehr Schottland" vorgestellt. Doch das wird eingedampft auf zwei Hotels, ein Pub, ein Castle, eine Kreuzung, und ein paar Schafe. Und dann hat es dieser Schwerenöter auch noch nötig, gleich mit der nächsten Kellnerin zu flirten! Das hat ihn mir unsympathisch gemacht.

Man merkt schon, dieser Autor hat das Zeug zu mehr. Anklänge an berühmte Vorbilder und literarische Verwandte gibt es - z. B. Yasmina Reza. Ich würde jedoch vermuten, dieser Text ist im "Raupenstadium" veröffentlicht worden. Eigentlich war da mehr drin.