Ida

Umfangreicher, gut recherchierter Einblick in Ida Adlers Leben

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"Dich kuriert nich einmal der Hitler von deiner Sturheit, oder wie?"


Ida Bauer/Adler ist in die Geschichte der Psychoanalyse eingegangen als der "Fall Dora". Als sie ihre Behandlung bei Sigmund Freud vorzeitig abbrach, sorgte das bei ihm für einiges Stirnrunzeln. Nun erzählt Katharina Adler, Idas Urgroßenkelin, die Geschichte, die hinter dieser Frau steckt, ein ganzes Leben begleitet von Krieg, Ehe, Analyse und Krankheit.

Katharina Adler ist es gelungen, einen wunderbaren historischen Roman zu schreiben, der mit einem hervorragenden, versierten Schreibstil glänzt und alle guten Eigenschaften dieses Genres vereint : Witzig-tiefsinnige Dialoge in einer etwas angestaubten Sprache, der Zeitgeist des beginnenden 20. Jahrhunderts, eine unkonventionelle Frauenfigur. Idas Leben war immer bewegt, immer im Aufruhr, und daher war es immer eine Freude, der Geschichte zu folgen.

Einige Längen haben sich bei so einem Text durchaus auch eingeschlichen, aber diese waren zu verschmerzen, gerade, weil man immer entlohnt wurde durch spannende Einblicke. Wer bei "Ida" allerdings eine detaillierte Auseinandersetzung mit Freuds Analyse erwartet, der wird enttäuscht werden. Katharina Adler geht es ganz klar darum, die Ida außerhalb des Falls Dora darzustellen. Dennoch zählten die Passagen in Freuds Praxis zu meinen Highlights, da die Autorin hier einfach wunderbar ausführt, wie lachhaft seine Analysen doch waren. Und gelacht habe ich tatsächlich einige Male.

Auch die Familie Adler (Idas Bruder Otto war ein führender Politiker der frühen österreichischen Republik) bleibt natürlich nicht von den politischen Wirren des 20. Jahrhunderts verschont. Dieser Aspekt ergänzt die Geschichte perfekt, denn so kann man sich auch mal von Ida und ihren Leiden loslösen und gebannt die Geschehnisse in Österreich verfolgen.

Ida ist nämlich alles andere als eine einfache Protagonistin. Zu großen Teilen war sie mir unsympathisch, das ständige Kranksein in ihren Kreisen ging mir auf die Nerven, das Unwohlsein, um aus der Gesellschaft zu fliehen. Nachvollziehbar war das allemal, aber es hat doch einen sehr großen Raum in der Erzählung eingenommen. Durch ihre bockige, sture und teilweise unfaire Art war mir Ida manchmal richtig zuwider. Das steht ihr, keine Frage, aber als Protagonistin ist sie definitiv keine Sympathieträgerin.

Gefehlt hat mir im Endeffekt die reflektive Haltung : Was hat Freuds Behandlung in Idas Leben bewirkt, wie hat sie sie beeinflusst? Dieses Kernthema war zwar präsent und auch konkret gut umgesetzt, aber die Einbettung in Idas Lebenskontext kam doch zu kurz.

Insgesamt ist Katharina Adler ein 360-Grad-Porträt einer interessanten Frauengestalt gelungen, die lange Jahre als "Fall Dora" durchanalysiert und missverstanden wurde. Die Autorin stellt ein umfassendes Bild ihrer Person und all ihrer Schicksalsschläge zusammen, vergisst aber auch die schönen und hellen Momente nicht. Die historische Einbettung in diese politisch turbulente Zeit tut ihr Übriges. Ich hatte viel Freude mit dieser Geschichte.