Abrechnung mit der J-Pop-Kultur

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missmarie Avatar

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"Aber eins weiß ich absolut: Masakis Fan zu sein ist das Zentrum meines Lebens, die eine Konstante. Mein Idol ist meine Körpermitte, meine Wirbelsäule."

Die Schülerin Akari, von der dieser Satz stammt, übertreibt mit keinem Wort. Sie meint es genau so: Ihren gesamten Lebensinhalt zieht sie aus dem Fan-Sein. In ihrem Zimmer ist alles in Blau gehalten, denn das ist die Farbe ihre Idols Masaki, Jede CD, jeden Merch-Artikel und jedes Foto kauft das Mädchen und das nicht nur einmal. Denn in jeder CD-Hülle gibt es einen Abstimmungsschein, mit dem sie Masaki zum beliebtesten Mitglieder der J-Pop-Band wählen kan. Um sich diese kostspielige Obsession zu finanzieren, jobbt Akari nebenher in einer Bar - mehr schlecht als recht kommt sie ihren Aufgaben nach. Für Lernen, Schule, Freunde oder Zukunft bleibt keinen Platz neben der Bewunderung für ihr Idol. Erst recht nicht, als dem vorgeworfen wird, einen weiblichen Fan auf der Straße geschlagen zu haben. Jetzt muss Akari doch erst recht zeigen, dass sie zu ihrem Star hält.

Rin Usami wird in Japan als aufkommende Jungautorin gefeiert. In ihrem Roman "Idol in Flammen" zeigt sie vielversprechende Gestaltungsideen, aber leider auch typische Merkmale, die für die asiatische Literatur, die den Weltmarkt in den Blick nimmt, stehen: Ihr Text ist sprachlich recht einfach gehalten, es gibt wenig Metaphern - abgesehen von der Flamme - und nur ganz selten muss die Übersetzerin einen Begriff erzählen. Man merkt dem Text daher an, dass "Leicht zu übersetzen" ein mögliche Kriterium gewesen ist. Davon abgesehen, ist die Idee, einen Hard-Core-Fan in seiner gesamten Besessenheit darzustellen, aber gelungen.

Akari sind Familie, Freunde und Schule unwichtig. Daher spielen diese Lebensbereiche in Usamis Roman auch nur eine untergeordnete Rolle. Sie tauchen dann auf, wenn es eben gar nicht zu vermeiden ist; zum Beispiel in Form der Mutter, die zu zum Aufräumen auffordert. Jegliche Alltagsverpflichtung wird zur Qual, die Akari von ihrem echten Lebensziel - ihrem Idol - ablenkt. Unterschwellig kritisiert Usami die japanische Unterhaltungsindustrie rund um die J-Pop-Bands. Das Image der SängerInnen wird in solchen Bands stark kontrolliert. Die Außenwirkung der Figuren ist auch jenseits der Bühne enorm wichtig. Den jungen Fans - überwiegend Mädchen - wird mit dem Idol die ideale Figur zum Anhimmeln gebaut - mit dem Ziel, möglichst viel Geld einzunehmen. Akari ist jemand, bei dem dieses System lehrbuchmäßig aufgegangen ist.

Erschreckend ist es zu lesen, wie Akari ihr gesamtes Selbstwertgefühl und ihren Lebenswillen von ihrem Idol anhängig macht. Das geht sogar so weit, dass sie nur dann Appetit hat, wenn auch ihr Idol im Live-Stream Nahrung zu sich nimmt. Auf sich selbst achtet sie kaum. Eine eigene Identität oder Persönlichkeit begegnet dem Leser in ihrer Figur nicht. Selbst der Tod der Großmutter wird wenig emotional geschildert, bleibt eher eine Randnotiz, die dazu führt, dass Akari eine eigene Wohnung bekommt.

Insgesamt ist "Idol in Flammen" eine Abrechnung mit der Idol-Kultur auf dem asiatischen Pop-Markt. Ein Buch, das das Thema gut einfängt und leicht zu lesen ist, an der ein oder anderen Stelle allerdings vielleicht etwas mehr erzählerische Raffinesse vertragen könnte.