Großartige Idee, etwas schwächere Umsetzung

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throughmistymarches Avatar

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Die Grundidee von „Im Leben nebenan“ von Anne Sauer ist super interessant, die Umsetzung leider etwas schwächer. Die Handlung dreht sich um Toni, die in einer begehrten Altbauwohnung in einer Großstadt lebt und mit ihrem Partner Jakob an der Familienplanung arbeitet. Als es immer wieder nicht klappt, setzt es beiden nach und nach immer mehr zu. Eines Morgens erwacht Antonia im Dorf ihrer Kindheit, mit einem anderen Job, anderem Partner – ihrem Jugendfreund – und einem Baby. Das bürgerliche Leben Antonias, inklusive Schwiegermutter vor Ort, ist ein krasser Kontrast zu Tonis Großstadtleben.

Der Roman zeigt anschaulich, wie unterschiedlich das Leben einer Person verlaufen könnte, abhängig von den getroffenen Entscheidungen. Dass Antonia sich aber an ihr Leben als Toni erinnert und davon überfordert ist, gibt dem Ganzen eine leichte Note des magischen Realismus. Tatsächlich habe ich lange überlegt, wie ich das finde, dass Toni eben in beiden Figuren steckt und sich „erinnert“ – sind es dadurch wirklich zwei unterschiedliche Lebensentwürfe, die dargestellt werden oder wird der Antonia-Strang zu sehr davon geprägt, das Toni verzweifelt, weil sie nicht weiß, was los ist?

In beiden Erzählsträngen dominiert der Alltag: Toni und Jakob kämpfen mit unerfülltem Kinderwunsch zwischen Beruf und Freizeit, während Antonia den Alltag als frischgebackene Mama bewältigt. Anfangs ist das alles noch interessant und gut geschrieben, doch ab der Hälfte verliert sich die Geschichte. Es fehlt an Entwicklung; alles plätschert vor sich hin. Besonders schade ist, dass sowohl Antonia als auch Toni fast ausschließlich über ihre Rolle als Mutter bzw. Nicht-Mutter definiert werden. Ich könnte auf die Schnelle nicht viel mehr anderes über die Figuren sagen.

Das Hörbuch ist gut gelesen und kurzweilig. Die vielen detaillierten Alltagsszenen wirken zwar authentisch und der Schreibstil ist auch gut, aber mir fehlte mehr Tiefe, vor allem bei Toni/Antonia.