Kinderwunsch?

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coni90 Avatar

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Anne Sauer erzählt in Im Leben nebenan eine Geschichte, die auf den ersten Blick spannend und leicht fantastisch wirkt, im Kern aber sehr stark um die Themen Kinderwunsch, Mutterschaft und gesellschaftliche Erwartungen an Frauen kreist.

Im Zentrum stehen zwei Versionen von Antonia (Toni), die beide auf ihre Weise verzweifelt sind: die eine, weil sie seit Jahren versucht, mit ihrem gegenwärtigen Lebenspartner ein Kind zu bekommen, die andere, weil sie eines Tages aufwacht und plötzlich ein Neugeborenes vor sich hat, dessen Vater ihr "Ex"partner ist und mit dem sie als Familie wieder in ihrem Heimatdorf lebt.

Diese Gegenüberstellung war faszinierend, weil sie die Ambivalenz rund um das Thema Kinderwunsch und Mutterschaft schonungslos offenlegte. Anne Sauer nimmt die Leser*innen sehr nah mit in die Gefühlswelt beider Tonis und insbesondere durch Nebenfiguren wurde deutlich, wie einsam Toni eigentlich ist.

Stark fand ich auch den erzählerischen Kniff, dass Antonia in die Rolle der Mutter „hineingeworfen“ wurde, ohne sich bewusst dafür entschieden zu haben. Dadurch wird die Überforderung viel plastischer spürbar. Auch in anderen Szenen zeigte das Buch klar auf, wie Frauen zwischen Familie, Beruf und Erwartungen zerrieben werden: etwa wenn klar wird, dass Kolleginnen entlassen werden, während der männliche Kollege bleiben darf. Hier steckte viel Kritik am gesellschaftlichen Umgang mit Frauen und Müttern drin.

Ein Satz, der mir besonders nachhallt, ist: „Frausein ist immer zu viel von allem.“ Das fasst für mich das zentrale Spannungsfeld des Romans perfekt zusammen.

Was mir weniger gefallen hat, war das Ende. Zudem hätte ich mir gewünscht, dass die Fokussierung auf das Thema Kinderwunsch im Klappentext deutlich gemacht wird. So empfand ich die Lektüre als thematisch etwas eindimensional. Nichtsdestotrotz war es gut gemacht und spannend. Ob kinderlos oder nicht - hier kann sich jede Frau wieder finden.