Schluss mit dem Tabu
Horrorfilme könnten so anfangen: Eine Frau wacht auf und auf ihrer Brust liegt ein Baby. Dabei ist sie gar nicht Mutter. Oder doch?
„Im Leben nebenan“ erzählt die Geschichte von Antonia. Einer Frau in den Dreißigern, Mutter von Hanna, verheiratet mit Adam, auf dem Land in einem schicken Einfamilienhaus lebend. Und die von Toni, liiert mit Jakob, kinderlos, Altbauwohnung in der Großstadt. Nur: Antonia und Toni sind die gleiche Person. Bloß in verschiedenen Leben. Und Antonia kennt Tonis Leben, es ist ihres, zumindest bis vor wenigen Minuten.
Ein spannendes Gedankenexperiment, das den Vibe von Matt Haigs „Die Mitternachtsbibliothek“ mitnimmt: Was ist, wenn ich in einem anderen meiner Leben lande, aber gar nicht weiß, wer ich in diesem Leben bin. Und vor allem in einer Rolle, in der ich noch nie war und vielleicht auch nie sein wollte. Das ist aber nur die eine Seite von Anne Sauers Romandebüt. Die andere ist eine, die in unserer Gesellschaft häufig tabuisiert wird: Kinderwunsch, Kinderlosigkeit, die Rolle der Frau als (Nicht-)Mutter.
Denn während Antonia gar nicht weiß, ob sie bereit ist, sich um das kleine, heulende Ding auf ihr zu kümmern, ist Toni durch das ganze Mühlrad gedrückt worden: Von „Und wie sieht’s bei euch aus?“ von Freund:innen und Kolleg:innen über das „Sollen wir nicht doch – jetzt?“ von Jakob und negativen Schwangerschaftstests bis zur nicht erfolgreichen Kinderwunschbehandlung. Und trotzdem erwarten alle, dass Toni … und dass Antonia ihre Mutterrolle perfekt ausübt, obwohl, na klar, die ersten Wochen nach der Geburt, alles anders, und überhaupt.
Anne Sauer fängt perfekt die verschiedenen Perspektiven ein, die Erwartungen an Frauen, an eigene Wünsche, aber vor allem an die der anderen. Sie zeigt verschiedene Leben, keines perfekt, aber beide leider ziemlich authentisch. Und sie spricht darüber, wie es für Frauen ist, wenn es mit dem Kinderwunsch – dem eigenen oder dem des Partners – nicht klappt. Wenn sie auf der Bürotoilette sitzt, merkt, dass es in diesem Zyklus schon wieder nicht funktioniert hat und sich fragt, wie sie weitermachen muss, mit diesem Arbeitstag, aber vor allem mit diesem Leben.
Ein paar kleinere Längen gibt es in der Antonia-Perspektive, aber das ist nicht schlimm, denn dieses Buch ist ein wichtiges und auch wenn es sicherlich als Frauenbuch abgestempelt wird: Männer, lest es, ihr werdet danach vieles besser verstehen.
Zum Abschluss meine Lieblingsstelle, eigentlich ganz leise und in einem anderen Kontext – Toni und ihr Vater besuchen das Grab der Mutter und „Ihr Vater zündete kein neues Grablicht an, seine Frau hatte Teelichter nie gemocht, und sie wollten sie auch nachträglich nicht verärgern“ – stattdessen stellen sie ihr Stück Donauwelle hin. Großes Herz für diese Szene und für dieses Buch.
„Im Leben nebenan“ erzählt die Geschichte von Antonia. Einer Frau in den Dreißigern, Mutter von Hanna, verheiratet mit Adam, auf dem Land in einem schicken Einfamilienhaus lebend. Und die von Toni, liiert mit Jakob, kinderlos, Altbauwohnung in der Großstadt. Nur: Antonia und Toni sind die gleiche Person. Bloß in verschiedenen Leben. Und Antonia kennt Tonis Leben, es ist ihres, zumindest bis vor wenigen Minuten.
Ein spannendes Gedankenexperiment, das den Vibe von Matt Haigs „Die Mitternachtsbibliothek“ mitnimmt: Was ist, wenn ich in einem anderen meiner Leben lande, aber gar nicht weiß, wer ich in diesem Leben bin. Und vor allem in einer Rolle, in der ich noch nie war und vielleicht auch nie sein wollte. Das ist aber nur die eine Seite von Anne Sauers Romandebüt. Die andere ist eine, die in unserer Gesellschaft häufig tabuisiert wird: Kinderwunsch, Kinderlosigkeit, die Rolle der Frau als (Nicht-)Mutter.
Denn während Antonia gar nicht weiß, ob sie bereit ist, sich um das kleine, heulende Ding auf ihr zu kümmern, ist Toni durch das ganze Mühlrad gedrückt worden: Von „Und wie sieht’s bei euch aus?“ von Freund:innen und Kolleg:innen über das „Sollen wir nicht doch – jetzt?“ von Jakob und negativen Schwangerschaftstests bis zur nicht erfolgreichen Kinderwunschbehandlung. Und trotzdem erwarten alle, dass Toni … und dass Antonia ihre Mutterrolle perfekt ausübt, obwohl, na klar, die ersten Wochen nach der Geburt, alles anders, und überhaupt.
Anne Sauer fängt perfekt die verschiedenen Perspektiven ein, die Erwartungen an Frauen, an eigene Wünsche, aber vor allem an die der anderen. Sie zeigt verschiedene Leben, keines perfekt, aber beide leider ziemlich authentisch. Und sie spricht darüber, wie es für Frauen ist, wenn es mit dem Kinderwunsch – dem eigenen oder dem des Partners – nicht klappt. Wenn sie auf der Bürotoilette sitzt, merkt, dass es in diesem Zyklus schon wieder nicht funktioniert hat und sich fragt, wie sie weitermachen muss, mit diesem Arbeitstag, aber vor allem mit diesem Leben.
Ein paar kleinere Längen gibt es in der Antonia-Perspektive, aber das ist nicht schlimm, denn dieses Buch ist ein wichtiges und auch wenn es sicherlich als Frauenbuch abgestempelt wird: Männer, lest es, ihr werdet danach vieles besser verstehen.
Zum Abschluss meine Lieblingsstelle, eigentlich ganz leise und in einem anderen Kontext – Toni und ihr Vater besuchen das Grab der Mutter und „Ihr Vater zündete kein neues Grablicht an, seine Frau hatte Teelichter nie gemocht, und sie wollten sie auch nachträglich nicht verärgern“ – stattdessen stellen sie ihr Stück Donauwelle hin. Großes Herz für diese Szene und für dieses Buch.