Was wäre wenn but make it feminist

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Die Frage, wie anders unser Leben aussehen würde, hätten wir auch nur eine andere Abzweigung genommen, hat sich vermutlich jede:r schon mal gestellt. Auf einem ähnlichen Abenteuer begleiten wir Toni, die eigentlich mit ihrem Freund Jakob und ohne Kinder in einer Altbauwohnung lebt. Plötzlich findet sie sich aber in einem völlig anderen Leben wieder: mit ihrer Jugendliebe, in ihrem Heimatdorf — und einem Neugeborenen. Wir folgen beiden Versionen von Toni in abwechselnden Kapiteln: Während die eine Antonia wie ins kalte Wasser gestoßen sich plötzlich mit ihrer Mutterrolle arrangieren muss, hadert die andere Version, Toni, erst damit, dass es einfach nicht klappen will mit dem Kind und gewinnt schließlich die Erkenntnis, dass sie eigentlich gar keines will. Die Gedankenstrudel und die wachsende Verzweiflung, die beide aus verschiedenen Gründen entwickeln, fühlen sich so authentisch an und werden so oder so ähnlich tagtäglich von Millionen Frauen durchlebt. Ich konnte jeden Frust, jede Wut und jeden Nervenzusammenbruch nachvollziehen, und das, obwohl ich selbst nie in einer vergleichbaren Situation war.

Obwohl beide Lebensrealitäten auf den ersten Blick sehr konträr sind, wird trotzdem keine als besser oder schlechter dargestellt; auf jeden Fall wird Mutterschaft aber als das präsentiert, was es ist — nämlich als verdammt schwerer Job, der einem alles abverlangt. „Im Leben nebenan“ ist generell ein kritisches Buch und ich mochte die Beobachtungen, wie die Gesellschaft auf (kinderlose) Frauen, Schwangere, Mütter und Kinder blickt sehr. Der Wechsel von „die respektieren das ungeborene Leben in dir mehr als dein eigenes“ zu „dieses brüllende Baby störte alle um sie herum, mit seinem lärmenden Babysein, das so viel Raum einnahm, mit seiner Lautstärke und seinem Wagen, dem man auch noch ausweichen musste“ zeigt (vielleicht etwas überspitzt, aber eigentlich auch nicht?), dass man es auch hier keinem so richtig recht machen kann.

Ich gebe zu, dass ich erst skeptisch war, ob der Roman rein thematisch etwas für mich ist. Wie Anne Sauer im Roman richtig schreibt, müssen wir uns alle irgendwann entscheiden, ob wir Kinder wollen oder nicht. Und da ich diese Frage für mich bereits beantwortet habe und Mutterschaft nichts ist, womit ich mich persönlich zukünftig beschäftigen möchte, war ich unsicher, inwiefern die Geschichte mich anspricht. Letztendlich wurde ich aber überzeugt, da der Roman so viel mehr hergibt. Ich hab ihn wirklich sehr gerne gelesen und mochte auch den Schreibstil und wie die Autorin mit Sprache spielt sehr, sehr gerne. Von mir gibt's eine klare Leseempfehlung!