Wundervolles Debüt

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seitendreherin Avatar

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Was wäre, wenn …?
Wenn ich mich damals anders entschieden hätte? Wenn ich geblieben wäre? Oder gegangen? Wenn ich Mutter geworden wäre – oder eben nicht?

"Im Leben nebenan" von Anne Sauer hat mich direkt abgeholt, weil es genau solche Fragen stellt. Fragen, die irgendwie immer mal wieder im Kopf auftauchen, besonders mit Anfang/Mitte 30.

Antonia wacht eines Morgens nicht in ihrer Altbauwohnung neben ihrem Freund auf, sondern in einem völlig anderen Leben: hell, ordentlich, teuer eingerichtet – und plötzlich ist sie zurück in ihrem Heimatdorf. Mit Auto vor der Tür, Schwiegermutter nebenan, Baby auf dem Schoß – und ihrer ersten großen Liebe als Partner. Alles wirkt vertraut und gleichzeitig völlig fremd.
Nach und nach versteht sie: Das hier ist ein mögliches Leben. Eins, das sie hätte führen können, wenn sie sich damals anders entschieden hätte.

Was mich richtig begeistert hat: Der Roman stellt keine dieser Lebensformen über die andere. Weder das Leben mit Kind noch das ohne. Beides hat seine Höhen und Tiefen, seine Sehnsüchte, seine Brüche. Und das wird mit einer Ruhe, Klarheit und einem ganz besonderen Feingefühl erzählt – ohne Kitsch, ohne Drama.

Ich mochte den einfühlsamen, leichten Stil und die Perspektivwechsel sehr. Kein Kapitel zu viel, kein Satz zu wenig. Und ich habe mich in vielem wiedergefunden, weil diese großen Fragen nach dem eigenen Lebensweg einfach universell sind.

Was ich mir gewünscht hätte: Eine Triggerwarnung zum Thema Fehlgeburt. Das kommt direkt zu Beginn vor und ich denke, für Betroffene wäre das ein guter Hinweis gewesen.

Trotzdem: Ein richtig starkes Debüt, das mich sehr beeindruckt hat. Ich freue mich auf alles, was noch von Anne Sauer kommt.