Scheidungsprozess im frühen 20. Jahrhundert

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sonnenschein1980 Avatar

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Alice Bloom lebt mit ihrem gewalttätigen Mann Henk und ihrer 5-jährigen Tochter Rosa in sehr ärmlichen Verhältnissen. Henk misshandelt Alice regelmäßig, geht oft seiner Arbeit nicht nach, sondern vertrinkt das wenige Geld lieber in der Wirtschaft. Als Alice notfallmäßig ins Krankenhaus muss und nach ihrer Entlassung Mann und Kind, beide nicht nüchtern, in der Wirtschaft vorfindet, reicht es Alice. Sie reicht die Scheidung ein. Kein einfaches Unterfangen im Jahr 1913. Der Mann hat grundsätzlich deutlich mehr Rechte und auch das Alices Sorgerecht für Rosa ist in Gefahr. Der Anwalt John Reeven vertritt sie nach anfänglicher Skepsis.

Das Cover zeigt eine Frau, die aufrecht steht und mit unerschrockenem Blick nach vorne schaut. Genauso ist die Hauptprotagonistin Alice. Willensstark, sie kämpft für Ihr Recht und geht damit auch ein hohes Risiko ein. Denn meistens gewinnen zu der damaligen Zeit die Männer den Scheidungsprozess, einfach, weil sie Männer sind. Des Weiteren ist das Risiko relativ hoch, dass das Sorgerecht für Rosa ebenfalls Henk zugesprochen wird. Doch da sie auf keinen Fall mehr so weiterleben will, sucht sie den Anwalt John Reeven auf, der zunächst nicht sehr begeistert ist. Irgendetwas an Alice beeindruckt ihn jedoch sehr, so dass er sich in den Fall einarbeitet und sie berät. Auch Johns Familie spielt eine größere Rolle. Es befindet sich eine Brauerei im Familienbesitz, die eigentlich vom Vater und Johns Bruder Julius geführt wird. Der Vater leidet unter einer unklaren Krankheit, die es aktuell nicht zulässt, dass er die Geschäfte führt. Dies will Julius ausnutzen und die Brauerei abstoßen. Sehr zu Johns Missfallen. So muss John nicht nur an einer Front kämpfen…

Es gibt zwei Handlungsstränge. Zum einen geht es um Alices Leben in Hamburg in 1913 und zum anderen um ihr Leben in 1896. Damals war sie zwölf Jahre alt, wurde von ihren Eltern verkauft und musste in der Folge schlimme Dinge erleben. Die Gegenwart nimmt immer wieder Bezug auf die Vergangenheit, so dass die Spannung immer hoch ist. Der Leser erfährt schrittweise, was Alice früher widerfahren ist. Der Schreibstil ist flüssig zu lesen.

In historischen Romanen geht es oft hauptsächlich um starke Frauen. Denn im frühen 20 Jahrhundert wurden Frauen noch oft unterdrückt und mussten für ihr Recht kämpfen. Ich finde das Thema spannend, wie Alice unter widrigen Umständen dafür kämpft, ihre Ehe mit Henk beenden zu dürfen. Aus heutiger Sicht ist es glasklar, dass eine Frau so niemals leben sollte und Kinder in der Nähe eine solchen Mannes erst recht nichts zu suchen haben. Die Autorin hat es geschafft, durch gute Recherchearbeit die damalige Zeit glaubhaft zu vermitteln.

Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen. Er war sehr spannend und hat mich auch emotional berührt. „Im Nordwind“ ist in sich nicht abgeschlossen und ich freue mich schon auf die Fortsetzung „Im Nordlicht“. Sie erscheint im Oktober 2024 und ich bin schon sehr gespannt, wie es mit Alice weitergeht.