1923 im Detail

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heidersv Avatar

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1923 im Detail
Christian Bommarius führt seine Leser/innen chronologisch durch das Jahr 1923. Aber es ist keine historische Abhandlung, es sind Augenblicke, Schnipsel, die ein Schlaglicht oder auch nur einen kleinen Schatten auf dieses Jahr in Deutschland werfen. Auch wenn es hin und wieder über die Grenzen geht, zu mehr als 90% spielt alles in Deutschland. Ob es eine Zeitungsmeldung über eine Familie ist, die an einer Pilzvergiftung starb, ob es um eine eher unbekannte Person geht, die vor dem Krieg sagenhafte 100.000 Mark für’s Alter zurückgelegt hat und damit jetzt gerade mal einen Fahrschein für die Straßenbahn kaufen kann. Jede Person hat einen Namen und ein Schiksal.
Natürlich passieren auch hin und wieder „echte“ Ereignisse, also solche, die man auch in historischen Abhandlungen findet. Dennoch bleibt der Blick des Autors auf die Nebenschauplätze fokussiert und nimmt uns mit in dieses Schicksalsjahr der Weimarer Republik. Da nimmt die Post einen Brief nicht an, der an den Reichspräsidenten Ebert, Berlin adressiert ist: Adresse unvollständig. So etwas zeigt, wie wenig die Republik im Beamtenapparat verankert war. Noch viel mehr derartige Beispiele aus der damaligen Rechtsprechung gibt es. Monat für Monat und auch innerhalb des Monats chronologisch sortiert zeigt der Autor, was damals so passierte. Ein Schwerpunkt liegt auf Kunst und Kultur.
Er hat offensichtlich ein unglaubliches Quellenstudium (Zeitungen / Tagebücher …) hinter sich gebracht und seine Auswahl getroffen. Bei aller Faszination kann mich das Buch unterm Strich doch nicht begeistern, irgendwann ab Mitte des Jahres fängt es an, langweilig zu werden, zuviel wiederholt sich, zuviele Personen kommen immer wieder vor, und die „großen“ Themen kommen mir einfach zu kurz.