Bunter Bilderbogen des Jahres 1923

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Monat für Monat ruf der Autor wichtige, tragische sowie eher der Regenbogenpresse zugehörende Ereignisse in den Focus des Lesers.
Sich wiederholende Themen sind die Besetzung des Ruhrgebietes, die immer mehr Fahrt aufnehmende Inflation und die Agitation der Rechten. Zusammen ergeben die Nachrichtenschnipsel ein buntes und spannendes Bild des Jahres, das gut zu lesen ist.
Erschreckend fand ich die rasende Entwicklung der Inflation und ihre Folgen, die weder Arm noch Reich verschont hat. Wer zuvor ein scheinbar unermessliches Vermögen besaß, musste im Laufe des Jahres feststellen, dass er dafür mit Glück gerade noch einen Laib Brot erhält.
Als Gegensatz dazu fand ich die Ausflüge in die Welt der Künstler erheiternd und sie sind ein guter Gegenpol zu den düsteren Nachrichten.
Geradezu wütend haben mich die Berichte über die rechten Umtriebe gemacht. Schwarze Reichswehr, Organisation Consul oder der gescheiterte Putschversuch Hitlers - man hat sie gewähren lassen, milde belächelt oder versucht, sie für die eigenen Interessen einzuspannen und dabei immer unterschätzt.
Ebenfalls wie ein roter Faden gibt es das ganze Jahr hindurch judenfeindliche Übergriffe, die ihren Höhepunkt im November mit dem Pogrom im Berliner Scheunenviertel finden.
Besonders erwähnenswert sind die vielen Anekdoten zu kleinen und großen Berühmtheiten, die der Autor jeden Monat einstreut. Oft erheiternd, manchmal traurig haben sie mich überwiegend überrascht und lockern die Lektüre angenehm auf. Ein Beispiel hierfür ist Hemingways Ausflug in den Schwarzwald und kleine Episoden aus Gorkis Leben.
Für mich hilfreich war das letzte Kapitel "Was weiter geschah". Hier gibt der Autor kurze Informationen zu den Personen, die mir im Verlauf des Jahres begegnet sind. Viele der Künstler haben sich später umgebracht, was mich sehr bedrückt hat.
Das Buch gibt sehr gute und lebendige und dabei gut lesbare Eindrücke des Jahres 1923 wieder. Hilfreich ist in meinen Augen, wenn man sich mit der Zeit schon etwas beschäftigt hat, sonst kann es passieren, dass man bei der Fülle der Informationen und Namen etwas die Orientierung verliert.