Geschichten in der Zeitgeschichte

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basilisque Avatar

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Das Buch erzählt von entscheidenden Ereignissen des Jahres 1923, welche bereits ihre Schatten auf die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 voraus werfen. Es werden jedoch nicht einfach trockene Daten und eine Auflistung von geschichtlichen Ereignissen wiedergegeben, sie sind in das gesellschaftliche Leben und die Atmosphäre des entsprechenden Jahres eingebettet. Schon das Cover vermittelt das typische 20er-Jahre-Gefühl mit Partynächten, Spiel mit den Geschlechtern (ist die Person auf der linken Seite ein Mann oder eine Frau?), aber auch dem Kontrast zwischen schillernden Farben und grauem Hintergrund, dem Leben selbst, das unterschwellig stets bedroht scheint.
Das Buch fängt die Stimmung und das Leben in dieser Zeit ein, etwas, das in reinen Geschichtsbüchern oft zu kurz kommt. Das einfache Volk kommt genauso zur Sprache wie die Politiker und Kulturschaffenden dieser Ära. Es erzählt davon, wie es ist, im Jahr 1923 zu leben. Das hilft auch, gewisse geschichtliche Ereignisse und Entwicklungen einzuordnen.

Das Buch ist in Monatskapiteln eingeteilt, mit einer kurzen Zusammenfassung am Anfang jeden Kapitels. Der Einstieg in das Buch ist etwas gewöhnungsbedürftig, da es in kürzeren Sektionen von einem Thema zum nächsten springt. Wenn man sich aber daran gewöhnt hat, wird es regelrecht schwierig, das Buch zur Seite zu legen, weil es so unterhaltsam ist.

Es lohnt, sich die Namen der auftretenden Entertainer, Schriftsteller und Politiker zu merken. Wir verfolgen ihre Geschichten über mehrere Monate hinweg. Man entdeckt alte und neue Bekannte. Als interessantes Detail sind in jeder Monatszusammenfassung der aktuelle Wert der Deutschen Mark im Verhältnis zum Dollarkurs sowie der gerade geltende Brotpreis angegeben. Dies führt dem Leser sehr deutlich – und ja, auch beängstigend – vor Augen, was die Inflation für die deutschen Bürger bedeutet haben mag. Etwas unheimlich muten allfällige geschichtliche und wirtschaftliche Parallelen zum aktuellen Jahr 2022 an.

Das Buch ist eine Mischung zwischen Geschichtsbuch und Gesellschaftsporträt von Deutschland 1923. Nach der Lektüre weiss man über das Wichtigste Bescheid. Für einen Gesamtüberblick mag es dem Leser bereits genügen. Es animiert jedoch Leute, die an Geschichte interessiert sind, sich in das eine oder andere Thema weiter einzulesen. Alles in allem sehr empfehlenswert für alle, welche nicht nur an Geschichte, sondern auch an dem Lebensgefühl der 20er Jahre interessiert sind.