Zwischen allen Stühlen

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fredhel Avatar

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Alex Cohen steht schon immer im Schatten seines Vaters. Stets bemüht, Anerkennung zu finden, erlangt er diese jedoch nicht. Beide leben und arbeiten in Südchina, wo der Vater in gutem Vernehmen mit der dortigen Obrigkeit (dank großzügiger Schmiergelder) eine kleine Schuhfabrik betreibt. Völlig unerwartet wird Alex von ihm zum Teilhaber ernannt. Eine gute Gelegenheit, eigene Vorstellungen in puncto Design und Betriebsleitung zu verwirklichen. Doch sein Vater ist ein sturer Knochen, an dem er so schnell nicht vorbei kommt. Alex hat unter den Arbeiterinnen eine Geliebte, die ihm neben Eigenarten ihrer Kultur auch die perfide Ausbeutung der Belegschaft erklärt. Bevor Alex überhaupt irgendetwas umsetzen kann, befindet er sich schon zwischen allen Stühlen, weil jede Seite davon ausgeht, ihn für ihre Zwecke einspannen zu können. In der Stunde der Gefahr wächst Alex zur Überraschung aller über sich hinaus und trifft kluge Entscheidungen.

Dies ist ein sehr ernsthafter Roman, der den Finger in viele Wunden legt. Er zeigt, wie perfekt das Ausbeutersystem ausländischer Investoren funktioniert: Funktionäre werden geschmiert, Arbeiter bis aufs Letzte ausgepresst und eines menschenwürdigen Lebens beraubt, und dazu die totale Überwachung des Individuums. Dazu kommt die Arroganz der Fabrikbesitzer, die sich nicht die geringste Mühe machen, Sprache und Mentalität des Landes zu verstehen. Es zählt nur der Gewinn.
Ebenso interessant ist die Emanzipation des Sohnes, der bis zur Teilhaberschaft wenig Verantwortung übernehmen konnte und vielleicht auch gar nicht wollte. Nun reift er in wenigen Tagen zu einem empathischen erwachsenen Mann heran, der nicht den Profit in den Vordergrund stellt.
Man hat das Gefühl, dass der Autor sich gut in den örtlichen Gegebenheiten auskennt, dass der Roman sehr authentisch ist. Eine gute Möglichkeit, durch ein Buch eine andere Seite Chinas kennenzulernen.