... und dann sagen Ostalgiker, dass in der DDR nicht alles schlecht war...

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kleine hexe Avatar

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Wunderschöner und spannender Einstieg in einen Krimi. Gleich zu Anfang der Blick aus der Perspektive der jungen Polizisten, die den Demonstranten gegenüberstanden: Unsicherheit, Angst, Beklommenheit und auch Unverständnis. Wieso protestieren diese Menschen? Sie haben doch, was sie zum Leben brauchen? Und dann schwenkt die Handlung ein Jahr zurück. Muffig, von Schimmel und Schwamm befallene Wohnungen, Mangel an allen Ecken und Enden. Ja, die Ostalgiker haben diese Zustände vergessen, wenn sie sich jetzt die einstige DDR schön träumen. Oder sie gehörten zur Nomenklatura und litten tatsächlich nur geringen Mangel.
Aber das war nur die Vorgeschichte. Denn die Fälle, die da begannen, werden erst nach der Wende, ein Jahr später, zu Ende geführt. Es ist jetzt kurz nach der Wende. In nur wenigen Wochen ist ein Staat wie ein Kartenspiel in sich zusammengebrochen, es herrscht totales Machtvakuum, neue Strukturen müssen sich erst herauskristallisieren, Kompetenzen geklärt werden. Dabei ist es nicht so einfach für die Polizei. Das Verbrechen schläft nie. Vor allem, als die halbseidene Unterwelt auf den ostdeutschen Markt drängt und ihre Claims abstechen will. Hamburger Kiez gegen Frankfurter Milieu. Das sind Dimensionen, in denen nun ostdeutsche Ermittler plötzlich operieren müssen. Unerwartete Unterstützung erhalten sie von einer Amtskollegin aus Frankfurt am Main die auf der Suche nach einem Mörder ist. Der erste Kontakt zwischen Ost und West auf Polizeiebene ist etwas holprig. Die Frau aus dem Westen tritt in alle Fettnäpfchen und bedient alle Klischees, die im Westen über die Bürger aus dem Osten kursieren. Doch langsam merken sie, dass man zusammenarbeiten kann. Vorurteile werden abgebaut, richtige Ermittlungsarbeit nimmt ihren Lauf. Bis plötzlich Zweifel aufkommen, ob die Polizistin aus dem Westen nicht mit gezinkten Karten spielt. Doch letztendlich klärt sich alles, die Fälle der verschwundenen Leichen, vergewaltigten Kinder und Morde werden gelöst. Tobias Falck erfährt so en passant, dass er womöglich Vater geworden ist, oder auch nicht, es ist alles in der Schwebe in seinem Privatleben. Sogar seine Verflossene will wieder zurück zu ihm. Die Entwicklung, die die 4 Ermittler im Lauf des Romans durchmachen ist klar erkenntlich und nachvollziehbar.
Die Dialoge sind gut wiedergegeben und klingen natürlich. Überhaupt erzählt Frank Goldammer sehr lebhaft und mitreißend. Die Beschreibung der heruntergekommenen Häuser im alten Teil Dresdens ist beeindruckend. Dass ein Staat so gar nichts auf seine historischen Stadtkerne gab, kennt man von vielen osteuropäischen Staaten. Nun wird es uns wieder deutlich vor Augen geführt. Vielleicht auch um ewig-gestrigen Ostalgikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Genauso, wie die Aussage von Steffi Bach, dass manche Verbrechen im Sozialismus undenkbar waren und also nicht existierten: Vergewaltigungen, Kindermisshandlungen z.B. Und nun, nach der Wende können sie nicht mehr totgeschwiegen werden.
Wäre schön, wenn Goldammer diese Reihe fortführen würde. Schon um zu wissen, ob Tobias Falck nun Vater wurde oder nicht.