Jagd im Schlossgarten … einmal anders

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Was für ein absurder Gedanke: Baron von Wald inszeniert Gartenjagden für Adelige auf als Paradiesvögel verkleidete Bauernmädchen und das auch noch in den Gärten des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand. Aber ist das wirklich so abwegig oder liegt es an der Armut in der Bauernschaft zur K.u.K Zeit, dass sich die Mädchen dafür hergeben? Der Fund einer Babyleiche im Kellergewölbe der Kirche des Thronfolgers ruft die Wiener Polizeiagenten Pospischil und Dr. Frisch auf den Plan. Können sie den Fall lösen und bleibt es bei der einen Leiche? Und welchen Plan verfolgt Baron von Wald mit seinen Gartenjagden?
Neben einem spannenden Krimi ist Christine Neymeyer mit "Im Schatten des Thronfolgers" eine Milieustudie gelungen, die uns nicht nur die Armut der Bauern Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts vor Augen führt, sondern auch die Arroganz der Adeligen, die sich an solchen Jagden ergötzten. Wenngleich auch den Adeligen in der k.u.k. Zeit eigene Fesseln auferlegt wurden, deren sie sich nur sehr schwer erwehren können. Interessant ist auch welche Ermittlungsmethoden bereits in der damaligen Zeit angewendet wurden: Fotos vom Tatort, Fasern in den Händen des Mordopfers und sogar eine Untersuchung durch einen Pathologen sind alles Dinge, die ich zu der Zeit noch gar nicht vermutet habe.
Sehr ausdrucksstark beschreibt Christine Neymeyer hier nicht nur die Wiener Lebensart, sondern auch die wunderschöne Landschaft und Gebäude rund um die Donauniederungen und das Artstettener Schloss und so gerät "Im Schatten des Thronfolgers" zu einem geheimen österreichischen Reiseführer, der deutlich Lust auf mehr macht.
Die Geheimagenten Pospischil und Dr. Frisch, sind teilweise schrullig und doch sehr sympathisch mit ihrem Wiener Schmäh während sie gleichzeitig die richtige Spürnase haben, um genau dort ins Wespennest zu stoßen, wo es notwendig ist. Aber auch Anni, die Haushälterin des Pfarrers, die Junghebamme Franziska und Hermine Meyer, die arme Bauerstochter, könnten unterschiedlicher nicht sein und sind trotzdem sehr authentisch dargestellt. Die Charaktere sind in ihrer Konstellation zueinander so gut entwickelt, dass allein dadurch eine außerordentliche Spannung entsteht.
Christine Neymeyer schreibt nicht nur humorvoll, sondern auch so lebendig, dass sich der Leser mitten im Geschehen fühlt, gleichzeitig sind historische Details sehr gut eingearbeitet. "Im Schatten des Thronfolgers" steckt von Anfang bis Ende voller unerwarteter Überraschungen, Entwicklungen und Emotionen und gibt viel Raum für Spekulationen. Der Spannungsbogen wird immer weiter aufgebaut, so dass ich das Buch kaum aus der Hand legen mochte.
Fazit:
"Im Schatten des Thronfolgers" ist nicht nur eine schöne Urlaubslektüre für einen Leser, der gerne einmal in Wien und in den Donauniederungen die Atmosphäre und Geschichte dieses ganz besonderen Ortes in sich aufnehmen möchte, sondern auch Krimifans kommen hier voll auf ihre Kosten, da der Kriminalfall sehr spannend entwickelt wird. Von mir gibt es hierfür eine klare Leseempfehlung.