Dieses selbstregulierende System innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinde

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owenmeany Avatar

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Tyson will uns aus allen vorherrschenden unproduktiven und die Gesellschaft spaltenden Kontroversen herausführen, indem er als Wissenschaftler uns versichert, dass es eine objektive, beweisbare Wahrheit gibt. Damit wir verstehen, wie diese enthüllt wird, gibt er uns Einblick in die Arbeit der Sachverständigen, die in immerwährendem Austausch mit Versuch und Irrtum Induktion und Deduktion betreiben.

Dabei scheint sein Zukunftsoptimismus durch, indem er für die Erfindungen und Entdeckungen der Vergangenheit exponentielles Wachstum nachweist und dieses entsprechend in die Zukunft projiziert. 26 Seiten Fußnoten am Ende des Buchs belegen die Seriosität der Aussagen. Als Astrophysiker beruft er sich auf den Overview-Effekt, der besagt, das aus dem Weltall die Unterschiede auf der Erde gar nicht mehr wahrnehmbar sind.

Mit Bezügen auf Religion und Mythologie aus der kosmischen Perspektive heraus widerlegt er Aberglauben und falsche Meinungen, entkräftet Vorurteile mit schlagenden Beispielen. Seine Ethik besteht aus einem eindringlichen Appell, sich die wissenschaftliche Sichtweise anzueignen. Im Kapitel über Vegetarismus führt er das regelrecht ad absurdum, indem er die Spezies Mensch als größten Räuber der Natur entlarvt.

Diese wissenschaftliche Sichtweise führt aber nicht zu Eindeutigkeiten, sondern lehrt uns, mit Grauzonen umzugehen. Seit den Entdeckungen der Quantenphysik hat das Binäre ausgedient.

Das längste Kapitel "Hautfarbe und Rasse" betrifft auch ihn selbst und ist richtig amüsant zu lesen wegen der zahlreichen enthaltenen Anekdoten, die das Ganze aber ein bisschen ungeordnet erscheinen lassen. Wie die systematische Ignorierung wissenschaftlicher Erkenntnisse Menschen im wahrsten Sinne des Wortes existenziell vernichtet, zeigt er uns mit einem Einblick in den US-Justizapparat mit der Konsequenz der Hinrichtung Unschuldiger.

Seine Aussagen kulminieren in einer Forderung nach einem Land namens "Rationalien", dessen Politik sich ausschließlich auf die Beweiskraft von Daten gründet. In einem solchen Land möchte ich auch gerne leben, aber dem steht entgegen, dass sich eine Vielzahl der Menschen einfache, eindeutige Lösungen wünschen. Man kann das deutlich am Wahlerfolg radikaler Parteien in allen möglichen Ländern ablesen. Und ob diese Menschen Tysons Buch lesen werden, bezweifle ich. Aber unsereins kann sich daraus mit Argumenten versorgen.