Durchwachsenes Debüt im Totengarten

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phoenix84 Avatar

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Das Buch " Im Totengarten " von Kate Rhodes ist optisch ein echter Hingucker. Die Flügel der abgebildeten Libelle sind ausgestanzt; klappt man das Deckblatt auf,
so sieht man mit Stecknadeln fest gepinnte Libelle, die der oberen ihre Flügel " leiht ". Eine interessante Idee, auch wenn die Referenz zum Inhalt des Buches auf den
ersten Blick einem nicht gewahr wird.

Kate Rhodes Schreibstil ist klar und leicht verständlich. Obwohl ihre Hauptprotagonistin eine Psychologin ist, hat man niemals das Gefühl, man braucht Fachliteratur, um
diese in ihren Ermittlungen zu verstehen. Mitunter schreibt sie sehr lebendig, was mir ( als London -Liebhaberin ) besonders in den - für einen Thriller nicht unbedingt
üblichen - Beschreibungen der Stadt aufgefallen ist; immer dann wenn Psychologin Alice Quentin ihre Laufschuhe anzieht, bekommt der Leser eine nahezu bebilderte
Führung Londons entlang der Laufstrecke unserer Heldin zu sehen.

Zum eigentlichen Inhalt des Buches lässt sich sagen, dass eigentlich alle Zutaten gegeben sind, um es einen Thriller nennen zu dürfen :
junge Frauen werden entführt, verstümmelt und an einsamen Orten abgelegt; an diesen findet Alice Quentin sie auf und ist plötzlich selbst in die Ermittlungen verwickelt;
vor allem da ihr drogenabhängiger, obdachloser Bruder Will im Fokus der Polizei ist und scheinbar irgendetwas mit den Fällen zu tun hat. Alice selbst hat aufgrund ihrer
harten Kindheit ihr eigenes Päckchen zu tragen und kämpft bis heute mit ihrer Klaustrophobie und Bindungsangst. Als ihre beste Freundin verschwindet, ist klar dass der
Mörder sich in ihrer Nähe befinden muss und sie die Nächste sein könnte. Trotz polizeilicher Überwachung befindet sie sich in höchster Gefahr...

Meiner Meinung nach reichen all diese Zutaten nur bedingt aus, um den Spannungsbogen aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Streckenweise liest das Buch sich mehr
wie ein Roman, da die Autorin ihr Augenmerk zum Teil ziemlich auf die zwischenmenschlichen Beziehungen und Geschichten ihrer Personen lenkt, die trotzdem mitunter
etwas blass auftreten. Mich persönlich hat das nicht so sehr gestört wie das teilweise sträflich leichtsinnige Verhalten von Alice Quentin, welches mir oftmals als unlogisch
erschienen ist. Ich hätte außerdem von einer Psychologin etwas mehr Durchblick erwartet; der Klappentext zumindest deutet darauf hin dass sie genau weiß, womit sie
es zu hat. Den Eindruck hatte ich über weite Strecken leider nicht. Das holprige Ende schließt zumindest den Bogen zum " Totengarten ".

Nichtsdestotrotz wird man recht kurzweilig unterhalten. Mir hat das London- Flair gut gefallen und wer weiß - vielleicht würde ich Alice Quentin im Folgeroman noch eine
zweite Chance geben, zu beweisen was wirklich in ihr steckt.