Heldinnen zwischen Fabrik, Schreibtisch und Barrikade

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Viele Romane erzählten bereits die Geschichte der Freiheitskämpfer in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Doch ihre Helden waren in der Regel Männer, eventuell mit einer Frau an ihrer Seite. Bestsellerautorin Tanja Kinkel dreht dieses Verhältnis in ihrem historischen Roman „Im Wind der Freiheit“ um: Es ist die Sicht von Frauen auf die Barrikaden und Parlamente der Jahre 1848 und 1849 in den großen deutschen Städten und vor allem im badischen Südwesten des freiheitsfeindlichen Deutschen Bunds. Der greift auch nach dem Sturz der alten Kräfte mit seinen Spitzeln in die Geschichte ein.
Die Autorin musste allerdings nicht lange in den Biografien und Geschichtsbüchern dieser Revolution suchen, um historische Heldinnen zu finden. Denn auch, wenn sie bisher nicht so sehr im Mittelpunkt standen, gibt es sie ja: Louise Otto zum Beispiel. Eine sächsische Schriftstellerin, die gegen alle Widerstände auf eigenen Beinen stehen konnte. An ihre Seite stellt Kinkel eine weitere Figur und durchbricht somit das romantische Bild von Frauen, die es sich aufgrund ihrer Herkunft leisten können, aktiver zu werden: Die junge Fabrikarbeiterin Susanne kämpft in diesem Roman nicht nur um die Freiheit, sondern auch um das nackte Überleben von sich und ihrer Mutter. Am Anfang werden Louise und Susanne als zwei Protagonisten in einem dramatischen Auftakt in die Geschichte einzeln eingeführt, um ihre Schicksale dann schnell auf geschickte Weise zusammenzubringen und die Handlung parallel zu den glaubwürdig und kenntnisreich geschilderten historischen Ereignissen in Gang zu bringen.
In der Mitte des Romans ist dann allerdings nicht immer ganz klar, wer die Hauptfiguren sind. Weitere historische Namen treten auf und wir begleiten sie durch die wilden März- und Apriltage. Auch ein junger, auf dem politischen Parkett noch weitgehend unbekannter Junker namens Bismarck greift kurzzeitig in den Handlungsstrang um den preußischen Soldaten Lukas ein, um dann wieder zu verschwinden. Lukas lernt Susanne in den Kämpfen in Berlin kennen und versucht sie in den folgenden Wirren in ganz Deutschland wieder zu finden. Dass sich ihre Wege irgendwie immer wieder kreuzen, erscheint ihnen selbst wie aus einem der damaligen Romane der Louise Otto.
In einem Roman von heute, der die Chancen und Grenzen der Selbstbestimmung der Menschen um 1848 spannend aufzeigt, ist dies natürlich auch alles erlaubt. Die anschauliche und mitreißende Szenerie der Barrikaden bleibt auch über 175 Jahre später ein lohnender und wichtiger Stoff für immer neue Perspektiven.