Tolle Idee, aber viel zu ambitioniert

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waldeule Avatar

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Die Idee, verschiedene Sprachspiele, -experimente und Gedichtformen in einer Geschichte zu präsentieren finde ich toll. Genauso wie die grafische Gestaltung des schönen, durchgehend farbigen Buches. Doch die Umsetzung finde ich weniger gelungen. Die Texte sind zu lang und zu schwierig, dazu kommen zahlreiche Fachbegriffe, die nur kurz oder gar nicht erklärt werden. Für mich ist das kein Buch für fünfjährige Vorschulkinder bzw. Leseanfänger.

Als Erwachsenen fand ich es inhaltlich sehr schön zu lesen. Es sind sehr nette Spielereien, was mit Sprache und Buchstaben alles machbar ist, vom nationalen und internationalen Buchstabieralphabet über Zungenbrechersätze und Kauderwelschsätze bis hin zu Gedichtformen wie Elfchen oder Akrostichons. Das Buch bietet so zahlreiche Anregungen für kreativen Umgang mit Wörtern.

Aber nicht für Vorschulindern bzw. Schulanfängern. In dieser Altersstufe kämpfen sie doch mit dem Erkennen von Buchstaben, dem Hören von einzelnen Lauten und dem ersten Zusammenlesen von Wörtern. Manche Geschichten, wie z. B. die Buchstabieralphabete gehen meiner Meinung nach völlig an der Erfahrung dieser Kinder vorbei. Die Texte sind nicht nur zu lang, sondern strotzen noch dazu von Fachbegriffen und Fremdwörtern, für die es durchaus eine kindgerechtere Alternative gäbe (Selbstlaute statt Vokale, ähnliche Wörter statt Synonyme …). Dazu kommen teilweise sehr komplizierte Beispiele, die von dieser Altersstufe nur bedingt nachempfunden werden können z. B. erhält man aus Ballonsamenkorb durch Umstellen der Buchstaben Karamellbonbon. Draufgekommen?

Nur der Vollständigkeit halber möchte ich anmerken, dass zumindest bayerische Erstklässler die Buchstaben als Laute lernen, also h ist ein h und kein ha, genauso gibt es ein ei (und nicht e-i) und ein sch (und nicht s-c-h). Diese Nicht-Unterscheidung im Buch sorgt sicher für zusätzliche Verwirrung.

Schade finde ich auch, dass es an konkreten Anregungen für die kleinen Leser fehlt. Warum nicht nach jedem Kapitel (und nicht nur eins ganz am Ende) ein kleines Rätsel oder eine kleine Aufgabe? Natürlich auf einem Level, das die Kinder auch lösen können.

Ich habe es mit meiner fünfjährigen Tochter gelesen, die sich die Bilder gerne angesehen hat und die Geschichte vom Zug mochte. Allerdings verlor sie bei den manchen, vor allem bei den längeren Kapiteln die Lust am Zuhören (was sonst sehr selten geschieht). Ich hatte den Eindruck, sie konnte mit den meisten Erklärungen wenig anfangen, trotz zusätzlicher Erläuterungen von mir. Einige Geschichten waren durchaus witzig und sind gut angekommen, wie z. B. das Quatschmonster, die Zungenbrecherstätze oder die Elfchen.

Mein achtjähriger Sohn hat das Buch selber gelesen und fand es ganz gut, manchmal witzig, manchmal etwas unklar. Für ihn war es ein Durchschnittsbuch, gelesen und dann wieder weggelegt. Motiviert, selber kreativ zu werden, wurde er durch das Buch nicht.

Fazit: Tolle Idee, schöne grafische Gestaltung, aber für die angegebenen Altersstufe viel, viel zu schwierig. Zu ambitioniert für dieses Alter!