Auf der Suche nach sich selbst

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Das ist nicht nur der Protagonist Mika Thorwarth, sondern auch das Buch an sich. Im Grunde will es zwei Geschichten erzählen, die leider nur bedingt ineinander greifen. Zum einen, wie der Außenseiter und beinahe Teenager Mika zu mehr Selbstvertrauen und einer positiven Lebenseinstellung findet, und zum anderen, uns die vor Phantasie überbrodelnde Welt von Immerland entdecken zu lassen.

Ersteres scheitert gewissermaßen an sich selbst. In Immerland kann Mika ganz er selbst sein, hier sind seine Talente gefragt und selbst seine wiederkehrenden Missgeschicke wenden sich immer wieder zum Besten. Grundsätzlich eine positive Nachricht, doch der Grund dafür liegt nicht in Mika, sondern Immerland, das er praktisch als Auserwählter betreten hat - doch das sind leider die wenigsten von uns. Zudem liegt der Fokus derart auf Mika, dass alle anderen Figuren zu Statisten verkommen. Sicher, er findet Freunde und hat seine Oma im Schlepptau, sie alle spielen ihre Rollen gut und doch bleibt jegliche Charakterentwicklung auf Mika beschränkt. Da macht es auch wenig, dass sie plötzlich verschwinden, wenn sie nicht mehr gebraucht werden oder entsprechend später wieder auftauchen: Erste Freundin gefunden, check, und jetzt schnell auf eine wilde Jagt weit weg von ihr. Geschafft? Dann schnell wieder zurück, weil nächstes Buch! Überhaupt ist es ein Grundtenor des Buchs, dass jegliche Errungenschaften in kürzester Zeit wieder irrelevant werden. Oberflächlich entsteht so eine sehr wendungsreiche Geschichte, hat man dies aber erst einmal durchschaut, fällt es schwer, noch etwas auf den Ausgang solch flüchtiger Ereignisse zu geben.

Die Welt von Immerland hingegen ist eine wahre Freude und wird vom Buchcover wunderbar eingefangen. Genau hinschauen lohnt sich, denn dann erkennt man beim Lesen immer wieder kleine und größere Details wieder. Auch die Illustrationen im Buch sind ausgezeichnet, sodass es auch gerne noch mehr hatten sein dürfen - kein Wunder, ist es doch das Kernmetier von Flix. Und so wunderbar Immerland auch ist, spürt man doch, dass sich die schöne Welt grundsätzlich falsch anfühlt. Etwas, das dem Protagonisten weitergehen entgeht, und so verharren wir in seiner Perspektive, ohne dass sich die Hinweise sonderlich verdichten, bis seine Entwicklung nach 2/3 des Buch endlich abgeschlossen ist. Nach so viel Trödelei braucht es dann eine Offenbarung durch eine Allwissende, um das alles wieder aufzuholen und die Geschichte nochmal in Schwung zu bringen.

Auch wenn Mikas Reise am Ende des Buches eine Pause einlegt, so ist sie sicher nicht zu Ende. Denn wir werden unmissverständlich darauf hingewiesen, dass der nächste Band schon in Arbeit ist. Nachdem Mikas Identitätsentwicklung in Immerland nun abgeschlossen ist (sonst eher eine Gefahr für gute Folgebände) bin ich hier vorsichtig optimistisch, dass wir stattdessen mehr vom wundervollen Immerland erhalten. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die erzählerischen Schwächen nicht auch auf den neuen Plot übertragen lassen. Meine Empfehlung daher: Nächstes Buch abwarten und dann entscheiden, ob sich die Reihe lohnt.

Letztlich muss ich leider noch einen Stern abziehen, weil mir zwei Passagen für ein Jugendbuch besonders negativ aufgefallen sind. So wird relativ am Anfang von Tabakkonsum berichtet. Sicher nichts, was Jugendliche schocken sollte, und auch latent negativ dargestellt. Trotzdem ein Einzelfall und für die Geschichte damit völlig irrelevant. Statt hier subtile Kritik zu äußern, sollte man dem doch besser gar keine Bühne bieten.
Wirklich unterirdisch ist dann jedoch gegen Ende die unumwunden sadistische Hinrichtung einer freundlich gesonnenen Kreatur, die zu allem Überfluss auf dem geistigen Niveau eines Kleinkindes rangiert. Klar, die Geschichte hat verlangt, dass sie weg musste, weil sie viel zu hilfreich wurde. Und sicher sind offene wie unterschwellige Bedrohungen, die einen durchaus schaudern lassen können, keine Seltenheit in dem Buch. Doch nie gipfelt dies sonst in expliziter, brutaler Gewaltdarstellung. Hier hätte man von Möglichkeiten, Kämpfe für ein jugendliches Publikum angemessen darzustellen, Gebrauch machen müssen, doch so liegt hier ein krasser Stilbruch vor.