Ein vielschichtiges Buch

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madame—rivkele Avatar

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Ich muss zugeben, dass mich das Cover des Romans nicht wirklich angesprochen hat. Es hat mich an die 70er Jahre erinnert und ein unwohliges Gefühl hervorgerufen. Wenn man das Cover anschaut, meint man fast nasskalten Nebel im Gesicht zu spüren und muffig-modriges Laub zu riechen.
Im Nachhinein passt das Coverbild unheimlich gut zum Roman. Wie der Titel schon sagt, spielt der Wald im Debütroman von Maddalena Vaglio Tanet „In den Wald“ eine zentrale Rolle: Nach dem Suizid ihrer Schülerin verschwindet eine Lehrerin beinahe spurlos. Lediglich ein Junge entdeckt sie zufällig in einer verfallenen Hütte im Wald. Sie ist kathatonisch, möchte nicht gefunden und ins Leben zurückgebracht werden. Also bringt der Junge ihr das zum Überleben Nötige.

In gewisser Weise basiert „In den Wald“ auf einer wahren Begebenheit, wie die Autorin in einem Nachwort erklärt. Er liest sich jedoch ein bisschen wie ein Märchen; der Wald als Unbekanntes, Kinder als Protagonist:innen und ein märchenhafter Zustand zwischen Leben und Tod. Es ist ein Buch, das ich gerne gelesen habe und in dem ich so viele Sätze markiert habe, wie schon lange nicht mehr. Vaglio Tanet beschreibt Momente des menschlichen Lebens in einem nüchternen, präzisen und gleichzeitig poetischen Ton, der in Erinnerung bleibt. Das gilt vor allem für die Leben von Frauen, wodurch der Roman auch eine feministische Lesart erlaubt. Annette Kopetzki ist es gelungen, für diese Sprache die richtigen Worte im Deutschen zu finden.

„Giovanna ertrug es nicht, wenn man über ihren Körper sprach, das machte sie rasend vor Wut. Sie selbst erkannte sich nicht mehr, und weil es ihr schwerfiel, sich zurechtzufinden, fühlte sie sich ertappt, wie preisgegeben, wenn die anderen diese Veränderung kommentierten.“ (S.38)