Man muss es nur überleben

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r.e.r. Avatar

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“Und das tröstete mich damals und tröstet mich heute: Alles, wovon ihr glaubt, ihr hättet es euch ausgedacht, ist real. Man muss es nur überleben”. Dieses Zitat von Joyce Carol Oates stellt Véronique ihrem Roman “In diesem Sommer voran”. Und schon die ersten Abschnitte zeigen, dass die Autorin sich nicht vor den großen Vorbildern der Beziehungsdramen verstecken muss.

 

Frankreich im Sommer. Der 14. Juli treibt die Menschen aufs Land und in die Ferien. Auch Delphine und Denis wollen den Feiertag wie in jedem Jahr in ihrem Ferienhaus in Coutainville in der Normandie feiern. Gemeinsam mit den Freunden aus Paris. Dem Ehepaar Nicolas und Marie. Und mit Lola und ihrem derzeitigen Freund Samuel. Auch ihre Kinder Alex und Jeanne werden in diesem Jahr wieder dabei sein, was Delphine erleichtert zur Kenntnis nimmt. Sie möchte “so viele Leute wie möglich zwischen sich” und ihren Mann bringen.

 

Die Entfremdung des Gastgeber Paares wird schon auf den ersten Seiten deutlich. Auf der Fahrt ins Feriendomizil tankt Denis. Früher hätte er gefragt, ob seine Frau einen Kaffee möchte. Heute tut er dies nicht mehr und lässt Delphine beinahe auf der Raststätte stehen, als sie sich während der Tankpause mit einem fremden Mann unterhält. Es sind kurze Szenen, die jedoch viel ausdrücken. Gefühlte Kälte ohne dass die Sätze in ihrer Sprache kalt wirken. Ganz im Gegenteil.

 

Olmi skizziert mit feiner und leichter Feder poetische Bilder und exakte Figuren. Das Paar Lola und Samuel. Sie 38, er 26. Sie amüsiert sich heimlich über seinen jugendlichen Enthusiasmus. “Begeisterung jener, die wenig wissen”. Und ist seiner eigentlich längst schon wieder überdrüssig. Er sucht bei ihr Zuflucht, sie will wieder frei sein. Oder Nicolas und Marie, die alternde Schauspielerin. Deren Mann mit Sorge bemerkt, wie sehr es sie quält um jede Rolle kämpfen zu müssen. Sie fiebert einem Vorsprechen für zehn Drehtage entgegen, dass ihr zum zweiten Mal die Rolle der Großmutter bescheren würde.

 

Alle treffen in der Normandie ein. Das Wetter strahlt und die Sonne übertüncht zu Beginn die Schatten die über allen Protagonisten liegen. Die Leseprobe endet mit dem Satz: In diesem Jahr würde nicht so ablaufen wie erwartet”. Mich lässt diese literarische Vorahnung einen großartigen Roman erwarten!