Es wird alles anders bleiben

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Es wird alles anders bleiben

Wie in jedem Sommer seit 16 Jahren treffen sich drei Paare im Haus der Gastgeber Denis und Delphine in Coutainville in der Normandie, um gemeinsam das lange Wochenende des14. Juli, des französischen Nationalfeiertags zu feiern. Bei dieser Gelegenheit wird gut gegessen, viel getrunken und während einiger glücklicher Stunden die jahrzehntelange Freundschaft zelebriert, als ob es so etwas wie ewige Jugend gäbe. Denis und Delphine haben Marie mit ihrem Mann Nicolas, einem Schulfreund von Denis sowie die etwas jüngere Lola, eine ehemalige Kriegsreporterin eingeladen, die jedes Jahr einen anderen Liebhaber mitbringt. Dieses Mal ist es der erst 26jährige Samuel. Er ist sehr verliebt und will Lola nach dem Feuerwerk einen Heiratsantrag machen. Außerdem sind die Kinder des Paares, die knapp 16jährige Jeanne mit ihrer Freundin Rose und der 11jährige Alex mit einem Freund anwesend.
Aber in diesem Jahr wird nichts so sein wie sonst, und Delphine weiß im voraus, dass damit eine Epoche zu Ende geht. Der Leser erfährt schon sehr bald, das die Ehe der Gastgeber vor dem Aus steht. Delphine betrügt ihren Mann, und er weiß es. Sie sprechen nicht mehr miteinander und wahren nur noch den Schein.
Auch die anderen Teilnehmer des Fests können nicht unbeschwert fröhlich sein. Die alternde Schauspielerin Marie bekommt mit ihren 52 Jahren nur noch Großmutterrollen in zweitklassigen Serien angeboten, aber weder sie noch ihr Mann können sich offen eingestehen, dass ihre Karriere zu Ende ist. Marie und Nicolas stellen demonstrativ ihre Liebe zur Schau, obwohl Nicolas drei Jahre zuvor eine schwere Depression hatte, unter deren Auswirkungen er noch immer leidet. Auch darüber sprechen die Eheleute nicht. Marie wollte nie über den Auslöser der Depression Bescheid wissen.
Die beziehungsunfähige Lola hat mit niemand, auch nicht mit ihren Freunden, über die schlimme Erfahrung gesprochen, die sie als 16jährige machen musste und die ihr weiteres Leben nachhaltig geprägt hat. Ausgerechnet einem Fremden, dem etwa zwanzigjährigen Dimitri, den die Mädchen mitbringen, offenbart sie das sorgsam gehütete Geheimnis, und es ist Rose, die es später Samuel erzählt.
Außerhalb der fröhlichen Mahlzeiten und sportlichen Aktivitäten zeigen sich schon früh die Risse in der Fassade, vor allem in den Gesprächen der Zweiergruppierungen: Lola und Marie, Marie und Delphine, Samuel und Rose usw. Aber vor allem ist es der Fremde, der mysteriöse Dimitri - von einigen als unerwünschter Eindringling empfunden -, der die eingefahrenen Bahnen stört. Sein Auftauchen bringt alle dazu, sich ihre Lebenslügen einzugestehen, ihre Geheimnisse zu offenbaren und sich einigen unbequemen Wahrheiten zu stellen. Jetzt zeigt sich, wie unglücklich und einsam die Frauen sind, wie sehr es an Offenheit und Ehrlichkeit in den Beziehungen fehlt. Symbol für die Schwächen und Fehler in ihrer aller Leben ist die kranke Kiefer, in deren Schatten sie all die Jahre gefeiert haben. Wenn es gelingt, die Kiefer zu retten, kommt vielleicht auch ihr Leben wieder in Ordnung.
Véronique Olmi ist ein schöner Roman über das schwierige menschliche Miteinander gelungen, in dem nicht sehr viel passiert, der aber zum Nachdenken anregt. Wie so oft bei Olmi trügt der schöne Schein, und die Autorin legt offen, was sich darunter verbirgt. Ich kenne fast alle Romane und Erzählungen der Autorin und habe “In diesem Sommer” gern gelesen, obwohl es vielleicht nicht ihr stärkster Roman ist.