Eine sehr persönliche Reise

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reishimura Avatar

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Ich habe das Gefühl, dass Autor Daniel Glattauer polarisiert. Also nicht er als Person, aber seine Bücher. Entweder man liebt sie oder man kann so gar nichts mit ihnen anfangen. Ich gehöre eigentlich zu der ersten Gruppe, außer bei „Darum“. Dies ist eines der wenigen Bücher, das ich nicht fertiglesen konnte.
In den letzten Jahren habe ich eher ältere Werke Glattauers noch einmal gelesen und mich von seinen Neuerscheinungen ein wenig ferngehalten. Warum dies der Fall war, kann ich gar nicht sagen, es hat sich einfach so ergeben. Umso mehr habe ich mich jetzt gefreut wieder mal ein neues Werk von ihm zu lesen. Noch dazu eines, von dem Glattauer selbst sagt, dass es sein bisher autobiographischstes ist. Ich war also mehr als nur gespannt was mich erwartet.
Wie auch bei vielen anderen seiner Bücher ist die Seitenanzahl eher überschaubar. In der Kürze liegt die Würze könnte man sagen. Auch bereits von ihm bekannt, es passiert eigentlich nicht viel in dem Buch. Wobei die Betonung hier definitiv auf dem Wort „eigentlich“ liegt. Es gibt im Prinzip nur einen Handlungsort, okay stimmt nicht ganz, es sind zwei. Großteils spielt das Buch aber, wie es der Titel bereits verrät, im Zug.
Ein in die Jahre gekommener Autor und eine Frau frühen mittleren Alters sitzen zufälligerweise zusammen in einem Zugabteil auf dem Weg von Wien nach München. Also zumindest der Autor, Eduard Brünhofer, fährt nach München, wohin es die Dame führt, ist zu Beginn noch unklar. Die beiden kommen ins Gespräch, ganz zwanglos zuerst, wie es einem nun mal auf Zugreisen passieren kann, wenn man längere Zeit in einem Abteil zusammensitzt. Doch so wie der Zug langsam eine Station nach der anderen durchfährt, durchläuft auch das Gespräch mehrere Phasen und ist schon bald nicht mehr einfach nur belangloser, ungezwungener Smalltalk.
Den Ausspruch Glattauers zum Thema autobiographisches Werk habe ich erst nach Beendigung des Buches gelesen. Dieser hat mich in meiner persönlichen Einschätzung des Buches bestärkt. Denn von der ersten Seite weg hatte ich das Gefühl, viel von dem Autor selbst in seiner Romanfigur zu entdecken.
Die Gespräche von Eduard Brünhofer und Catrin Meyr drehen sich bis zu einem gewissen Grad im Kreis und lassen manchmal ein klein wenig Tiefe vermissen. Die Ausführungen zum Thema Alkohol, noch dazu in Kombination damit, dass Eduard und Catrin, das eine oder andere Glas während ihrer Reise trinken, mag dem einen oder der anderen sauer aufstoßen. Auch sind die beiden Charaktere für mich nicht unbedingt Sympathieträger. Catrins ständiges Herumreiten auf gewissen Punkten und Eduards immer wieder kehrendes analysieren ihres Lächelns kann einen anöden. Für mich macht aber die Summe dieser Punkte, so komisch es vielleicht auch klingen mag, seinen Reiz aus. Alles wirkt ein wenig echter, authentischer und realer.
Beide Protagonisten sind meilenweit davon entfernt perfekt zu sein. Sie sind einfach nur zwei Menschen, die sich zufällig zur gleichen Zeit, im gleichen Zug befinden.
Meiner Meinung nach hat Daniel Glattauer hier wieder ein sehr gutes Buch abgeliefert. Den unvermeidlichen Vergleich mit „Gut gegen Nordwind“ schenke ich mir jetzt an dieser Stelle. Denn Daniel Glattauer ist mehr als nur „Gut gegen Nordwind“, sowie Eduard mehr als nur ein Liebesroman Autor ist und Catrin mehr als nur eine Therapeutin.