Gut gegen trübes Winterwetter

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takabayashi Avatar

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Nach seinem sehr berührenden und deutlich ernsteren, gesellschaftskritischen Roman „Die spürst du nicht“ hier nun wieder ein „typischer“ Glattauer, der mich vom Schreibstil her sehr an „Gut gegen Nordwind“ erinnert hat.
Schon der Titel ist herrlich doppeldeutig, denn nicht nur sitzen die beiden Protagonisten zusammen in einem Zugabteil auf der Strecke von Wien nach München , sondern es passiert auch etwas „in einem Zug“ (im Sinne von: ein Glas in einem Zug austrinken, eine Arbeit in einem Zug – ohne Unterbrechung - beenden), das ich jedoch hier nicht spoilern möchte.
Der Erzähler ist ein Liebesromanautor eher späten, mittleren Alters, der seit vielen Jahren nichts mehr veröffentlicht hat. Er befindet sich auf dem Weg zu einer Krisensitzung bei seinem Verlag in München. Ihm schräg gegenüber sitzt eine Frau frühen mittleren Alters, die ihn – wie von ihm befürchtet – in ein Gespräch verwickelt, ihn aber (leider? Oder gottseidank?) nicht kennt, bzw. nicht als berühmten Schriftsteller erkennt. Die Frau ist Psychologin, dezidierte Gegnerin von Langzeitbeziehungen, und fragt ihn, nachdem er sich als erfolgreicher Autor und seit langem glücklich verheirateter Mann geoutet hat, über seine Beziehung zu seiner Ehefrau aus.
Bis auf eine kurze Unterbrechung durch einen zugestiegenen Italiener, bleiben die beiden allein in ihrem Abteil. Das Gespräch wird immer intimer, manchmal möchte der Autor es abbrechen, lässt sich aber, von mehreren Minifläschchen Rotwein beflügelt, doch weiter darauf ein.
Berichtet wird das alles aus der Perspektive des Autors und unwillkürlich fragt man sich, ob und wie weit er wohl ein alter Ego von Daniel Glattauer ist? Nicht nur berichtet er den Gesprächsverlauf, sondern vor allem auch alles, was ihm selbst während dieser Zugfahrt, während dieses Gespräches so durch den Kopf geht.
Die Dialoge sind raffiniert, witzig und durchaus tiefsinnig, seine Gedanken voller Selbstironie. Am Ende gibt es dann noch eine sehr gelungene, unvorhersehbare Wendung.
Ich fand diesen kurzen Roman wieder brillant, sehr unterhaltsam, warmherzig und auch spannend, obwohl nur wenig passiert. Was mir an Glattauers Romanen besonders gefällt sind seine Raffinesse, seine Wortgewandtheit, sein Humor, und mit welcher Treffsicherheit er den Zeitgeist widerspiegelt. Und da bin ich bei diesem Roman wieder voll auf meine Kosten gekommen!