Haltet den Zug an, ich will aussteigen

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jollybooktime Avatar

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"Eduard, du hast großartige Dinge gesagt. Glaub mir, das war absolute Spitzenklasse." (S. 192)

Ähm - nein. Hat er nicht, war's nicht. Eduard und Catrin haben ein fades Frage-Antwort-Spiel gespielt und er hat überhaupt nichts Großartiges gesagt. Nichts, was mir als Leserin die Augenbrauen hochgerissen und das Herz zum Jubeln gebracht hätte. Ich war einfach froh, als die Reisenden endlich ihren Zielbahnhof erreicht hatten.

Doch öffnen wir zunächst die Tür zum Zugabteil, in dem sich die beiden Reisenden begegnen: Eduard Brünhofer, ein Autor, dessen einstiger Erfolg aufgrund einer Schaffenskrise droht zu verblassen, begibt sich auf eine Zugfahrt von Wien nach München. Was der Anlass seiner Reise ist und was ihn in München erwartet, wissen wir zunächst nicht. Als er sich zu der Frau frühen mittleren Alters setzt - selten habe ich eine so blöde Altersangabe gehört - ist ihm eigentlich nicht nach Unterhaltung. Doch Catrin Meyr ist wahnsinnig neugierig und so befindet sich Eduard schon bald mitten im Kreuzverhör mit dieser fremden Frau. Vermutlich hält er sich für besonders gewitzt, wie er seiner Abteilgefährtin einsilbig Antworten zuwirft, um ihr die Lust am Fragen zu verderben. Doch er täuscht sich. Sie fragt und fragt - aber so wirklich spannend sind weder ihre Fragen noch seine Antworten. Und dann plötzlich, als man sich das Du anbietet, werden die Fragen auch noch sehr persönlich und intim. Ist man sich doch gerade erst begegnet. Unglaubwürdig.
Catrin kommt schließlich zum Kern ihrer Neugier: Wie die Liebe gelingen kann, was es für eine Langzeitbeziehung braucht und welche Beziehungsmodelle denkbar sind. Wow - da kommen bestimmt völlig neue Erkenntnisse heraus nach dieser Zugfahrt, die zu einer Therapiesitzung wurde. Nicht.

Weder inhaltlich noch sprachlich ist das hier ein Meisterwerk und ich frage mich, wo der Glattauer hin ist, der mich mit "Die spürst du nicht" so begeistert hatte. Immer wieder wiederholen sich Sätze. Fragen mit vermeintlichem Tiefgang, aber eigentlich reichen sie maximal bis zu den Knien. Und ein Haufen rhetorischer Fragen.

Ich glaube, es gibt nur wenige Menschen, die die Gabe besitzen, wirklich tiefe und kluge Fragen zu stellen. Fragen, mit denen sie dann auch echte Antworten bekommen. Denn nur, wer genau zuhört, kann auch die passenden Fragen stellen. Catrin Meyr und Eduard Brünhofer ist dieses Kunststück nicht gelungen.