Ein Leben im Gegensatz - von der Heimat in der Eifel, die Liebe in Bremen finden

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Das Cover von Barbara Leciejewskis erstem ausschließlich historischem Roman zeigt ein junges Paar - innig in einer Tanzhaltung versunken. Vom Herrn sieht man ein Seitenprofi, die Gesichtszüge der Dame verdeckt er. Nur ein wenig gewelltes Haar wird uns gezeigt. Am Schnitt der Hose und den Hosenträgern erkennt man, dass die Erzählung einen mehr als ein Jahrhundert zurücktragen wird. Das junge Paar wird von einem Kreis umhüllt, der Buchumschlag ist an dieser Stelle matt; Hochglanzveredelung kommt zum Einsatz bei den Schriftzügen und prächtigen Birnenzweigen, die den Kreis ergänzen. Nun müsste man meinen, ich hätte das Buchcover ganz intensiv während des Lesens studiert – nein, denn dafür steckte es in einer Buchhülle. Das Cover passt zum Buch und es hebt sich von vorherigen Romanen der Autorin ab, wie auch anderer Schriftsteller.

Barbara Leciejewski hat sich nach ihren erfolgreichen Romanen, die eine Gegenwartshandlung mit erzählerischer Rückblende haben, nun zu einer Genreerweiterung entschieden und einen hist. Roman geschrieben, in der sie die Lebensgeschichte ihrer Urgroßeltern und Großeltern als Faden für die Handlung gewählt hat. Der Roman beschreibt Linas Aufwachsen in Mühlbach, einem kleinen Pfälzer Dorf. Aus der Kameradschaft mit dem Kaufmannssohn Albert entsteht eine große Liebe, die den Anschein hat, nichts kann dieses junge Glück auseinanderbringen. Unbeschwert und glücklich sind sie eine Einheit, doch als Lina und Albert ein Kind erwarten, droht seine Familie ihm mit Enterbung, wenn er darauf besteht sie zu heiraten. Lina muss ledig ihr Kind zur Welt bringen und es bleibt ihr nichts anderes übrig, zu dritt von der kargen Invalidenrente ihres kranken Vaters leben. Im Dorf wird mit dem Finger auf sie gezeigt… die junge 21jährige Frau hat es sehr schwer. Der Autorin gelingt es sehr gut, die Stimmung und die damalige Lage dem Leser zu beschreiben. Skeptisch war ich, als der wenige Jahre ältere Karl in die Pfalz zurückkehrt, der eigentlich sein Glück in Amerika machen wollte und einige Zeit zuvor mit seiner Mutter der Heimat den Rücken gekehrt hat. Er weiß von Linas Bankert und er weiß, was dieses bedeutet, denn wie man über sie nun spricht, hat man auch über seine Mutter gesprochen. Die ganzen Jahre in Mühlbach wurde er als das uneheliche Kind seiner „liederlichen“ Mutter bezeichnet, seine Arbeitsleistung war willkommen, er blieb aber ein Mensch zweiter Klasse für die Dorfbewohner. Er mag Lina, ist in sie verliebt und bietet ihr an, als Ehefrau ihn nach Bremen in seine neue Heimat zu begleiten. Er möchte Linas Tochter als sein Kind anerkennen. Lina mag Karl, sie hat sich immer gut mit ihm und seiner Mutter verstanden und nicht verstanden, warum man diese meiden sollte. Lina fällt verständlich der Gedanke sehr schwer, ihren Vater und die verheirateten Brüder zu verlassen und auch die Hoffnung zu begraben, dass Albert sich zu Kind und Ehefrau noch offiziell bekennen wird. Sie merkt aber auch, bis auf wenige Menschen wird in Mühlbach mit dem Finger auf sie und ihre Tochter Charlotte gezeigt. Karl bietet ihr die Chance auf einen Neubeginn, ein Leben in dem keiner von dem Makel weiß, fernab in der unbekannten und lauten Stadt Bremen, die so ganz anders ist als die Pfalz.
Kann aus Freundschaft Liebe werden? Kann man zusammenleben, wenn der eine liebt und die andere nur Freundschaft empfindet? Wird Karl tatsächlich in Deutschland bleiben und seinen Traum in Amerika zu leben, aufgeben? Was wird, wenn er sich in eine Frau verlieben sollte, die ihn auch liebt? Was wäre, wenn Albert sich irgendwann doch zu Lina und Charlotte bekennt? Hoffentlich stößt Karl nichts zu! All diese Gedanken kamen mir während des Lesens.

Die Entscheidung zur Ehe ist für mich als Leserin nachvollziehbar und man beginnt sehr, Karl zu mögen. Er bietet Lina und Charlotte einen Hafen und ist ein guter Steuermann in der Geschichte. Charlotte liebt Karl, den tollen Papa und erst als sie erfährt, dass ihre Mama vor ihrer Geburt einen anderen Mann geliebt hat, der ihr leiblicher Vater ist, kommt das Familienschiff ins Trudeln. Großartig finde ich, dass Lina und Karl immer vorhatten, eines Tages Charlotte von Albert zu erzählen. Sie wollen ihren Tochter gegenüber ehrlich sein. Charlotte stellt Fragen, ist neugierig auf ihren unbekannten Papa und weil es nur sehr selten Besuche nach Mühlbach gibt, die Fotografie für Bürgersleute exotisch ist, bleibt vieles für sie unbeantwortet. Das Interesse seiner Tochter an dem Unbekannten verletzt Karl.

Barbara Leciejewski gelingt sehr gut die Zerrissenheit aller zu beschreiben und ihr gelingt auch, Albert in die Geschichte versöhnlich zu integrieren. Sie legt ihm die richtigen Worte in den Mund. Ich verspürte Empathie mit sehr vielen in dieser Geschichte, die mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges endet. Im nächsten Frühjahr wird in „Für immer, August“ die Geschichte fortgeführt. August und Charlotte werden die Hauptprotagonisten sein. Noch sind sie sehr gute Freunde, die eine innige Brieffreundschaft zwischen Bremen und Mühlbach führen.
Ich mochte „Fritz und Emma“ und „Solange sie tanzen“ schon sehr und bin auch gespannt weitere bisher erschienene Romane zu lesen. Diese sind ineinander abgeschlossen und eignen sich die Zeit bis zum Erscheinen der Fortsetzung von „Lina“ – dem „August“ gut zu überbrücken.

Barbara Leciejewski hat wieder einmal einen sehr guten Pageturner geschrieben und ich werde ihrer Schreibe treu bleiben. Sie hat mich bei „Lina“ zu einige Tränen gebracht und ich habe ihre erste Familiengeschichte sehr gern gelesen. Schön, dass sie auch in Bremen spielt, der schönen Hansestadt im Norden.