Historiendrama um eine ledige Mutter im ausgehenden 19. Jahrhundert.

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kleinervampir Avatar

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Buchinhalt:

Mühlbach, ein kleines pfälzisches Dorf im 19. Jahrhundert: Lina, Tochter aus sehr einfachen Verhältnissen, ist verliebt in den Kaufmannssohn Albert. Sie erhofft sich eine Ehe mit ihm, doch als Lina unverheiratet schwanger wird, lässt Albert sie sitzen. Als ledige Mutter wird Lina fortan im ganzen Dorf wie eine Aussätzige behandelt, einzig Karl, ein Freund aus Kindertagen, hält zu ihr. Gemeinsam beginnen sie ein neues Leben in Bremen, doch Lina hat Heimweh nach Mühlbach und ihren Angehörigen – und dort erfährt schließlich Tochter Charlotte die unerbittliche Wahrheit ihrer Herkunft....


Persönlicher Eindruck:

Der erste Band der Mühlbach-Dilogie von Autorin Leciejewski nimmt die Leserschaft mit aufs Land im ausgehenden 19. Jahrhundert. Das Leben ist hart, einfach und entbehrungsreich, birgt aber auch schöne Momente der Kindheit, so auch für Hauptfigur Lisa. Lisa ist ein unbändiges, wildes Kind, schon früh verliert sie ihre Mutter und ist eng in das Dorfleben eingebunden. Lisa ist von Beginn an gutgläubig, wird als hilfsbereit und arbeitsam beschrieben. Sie träumt von der großen Liebe mit Albert, doch als sie plötzlich von ihm schwanger wird, lässt Albert sie auf Druck seiner Familie sitzen.

Was Lisa mit ihrer kleinen Tochter passiert, ist dasselbe, was ihr Jugendfreund Karl sein ganzes Leben schon mitmacht. Karl ist ebenfalls ein „Bankert“, ein uneheliches Kind – und dies zu sein oder selbst eins zu haben führt in der Enge des kleinen pfälzischen Dorfes zur Hölle auf Erden.

Mir hat die Erzählung zunächst sehr gut gefallen. Bereits nach wenigen Seiten taucht man als Leser ein in die Zeit um 1890, in die Denke und die Sittlichkeit der Dörfler der damaligen Zeit. Die Moralvorstellungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts wurden gekonnt vermittelt und das tägliche Leben der Menschen schildert die Autorin spannend und mitreißend.

Natürlich steht das Thema uneheliches Kind im Mittelpunkt der Erzählung. Während Karl schon als Kind ein recht dickes Fell zu haben scheint und die Anfeindungen relativ gut wegsteckt, leidet Lina viel stärker unter der Unbarmherzigkeit der Dorfbewohner.

Mein Mitleid für Lina hält sich allerdings in Grenzen. Lina selbst steigt bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Albert in die Kiste und ist auch gut mitbeteiligt daran, dass sie früher oder später geschwängert wird. Lina ist von Beginn an naiv und nicht sehr vorausschauend – die moralische Schuld allein bei den Dorfbewohnern zu suchen ist in meinen Augen nicht gerechtfertigt.

Die Figur der Lina war mir bis zum Schluss nicht wirklich sympathisch, auch wenn der Plot sehr bemüht war, Lina als positive Figur zu vermitteln. Der Einzige mit Charakter ist in meinen Augen Karl, leider schätzt Lina das nicht wirklich und macht mit der eigenen Jammerei vieles auch selbst kaputt.

Als erster Band einer Dilogie endet der Band mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, es geht also noch weiter. Ich persönlich muss aber zugeben, dass es zahlreiche Längen innerhalb der Handlung gegeben hat, so dass es in meinen Augen durchaus möglich gewesen wäre, alles gestraffter und somit in einem Band zu erzählen – ohne wahrscheinlich viel Wesentliches wegzulassen.

Auch wenn die Geschichte eine fiktive Anlehnung an die Lebensgeschichte der Großmutter der Autorin sein soll, hat Frau Leciejewski das Rad hier nicht neu erfunden. Die Einbettung in das Sittengemälde der damaligen Zeit war zwar schön gemacht, reicht mir aber rückblickend nicht für ein vollständig überzeugendes Leseerlebnis.