Mord unter Caspar David Friedrichs Himmel

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Harry Bornwasser, seines Zeichens Gerichtsvollzieher der schon zu Lebzeiten in dem Ruf stand, den Hals nicht voll zu kriegen, liegt tot unter einem tropfenden Bierfass. Tragisches Unglück oder Mord: »Der Mann hat sich unter das Fass gelegt, um das Bier zu probieren, das er beschlagnahmen wollte. Leider überschätzte er sein Fassungsvermögen. Betrunken, wie er war, wollte er wieder hochkommen, stieß mit der Stirn gegen den eisernen Zapfhahn, prallte zurück und fiel mit dem Kopf auf den Steinfußboden. Bewusstlos lag er da, wie ein Käfer auf dem Rücken. Das Bier ist immer weiter in seinen offenen Mund gelaufen, und so ist er schlicht ertrunken.« Der junge Kommissar Hartung scheint die Lösung des Falles schon gefunden zu haben, als ihn die Patriarchin des Ortes aufklärt: »Unsinn, junger Mann. Was hier passiert ist, nennt sich Water … Beerboarding – in diesem Falle selbstverschuldet.« Aber ganz so einfach ist die Sachlage nicht. Denn im idyllischen Storchwinkel wird nicht gefoltert, sondern getötet und der gierige Gerichtsvollzieher bleibt nicht das einzige Opfer.

Die Serie um Pippa Bolle lässt sich mit den Fernsehkrimis von Pfarrer Braun vergleichen. Mord in immer neuen Gegenden. Reiseführer, Urlaubsplaner und spannende Unterhaltung in einem. Die bisherigen Fälle führten die sympathische Mittvierzigerin aus ihrer Heimatstadt Berlin schon auf die fiktive Insel Schreberwerder, nach Stratford-on-Avon und in ein Anglerparadies nach Toulouse. Diesmal verschlägt es die Übersetzerin in ein malerisches Dorf. "Storchwinkel ist ein Rundlingsdorf mitten in der Altmark.« Karin geriet ins Schwärmen. »Die Landschaft ist Erholung für die Seele: Caspar-David-Friedrich-Himmel über weiten Feldern, blitzblanke Dörfer und uralte Feldsteinkirchen.« Pippa wird für zwei Wochen als Gesellschafterin der fast hundertjährigen Christabel Gerstenknecht engagiert, die in Personalunion die örtliche Gartenzwergfabrik besitzt und leitet und als Bürgermeisterin über die Geschicke des idyllischen Storchenparadieses wacht. Kaum ist Pippa angekommen, geschieht ein zweiter Mord. Und ehe sie es sich versieht, ist sie wieder einmal mitten im Ermitteln.

In "Pippa Bolle" Krimis schwelgt man. Immer spielt die Handlung inmitten einer herrlichen und geschichtsträchtigen Landschaft, immer wird gut und typisch gegessen, immer wird viel und gerne gelesen und über das gelesene intelligent resümiert. Atmosphärische Landschafts-beschreibungen, interessante Figuren, fesselnde Dialoge und eine abwechslungsreiche Handlung lassen einen die Lektüre nur ungern unterbrechen.

Das Autorenduo Auerbach und Keller zeichnet sich für mich aber auch besonders durch die Güte der Ideen aus. Gemordet wird raffiniert aber unblutig. Was liegt näher, als in einem Roman in dem die Produktion von Gartenzwergen eine Rolle spielt, jemanden in Gips zu verewigen? Oder in der Heimat der Baumkuchen, diese nicht nur auf fast jeder Seite genüsslich zu verzehren, sondern auch die spezielle Backvorrichtung der Leckederei als Mordinstrument zu instrumentalisieren? Die Geschichte kombiniert zudem anheimelnden Lokalkolorit mit echten Problemen. Im Gebiet der ehemaligen DDR in dem der Roman spielt sind Altlasten aufzuarbeiten (Zwangsadoptionen von Kindern) und Zukunftsentscheidungen zu treffen (Familienfreundlichkeit und Naturbelassenheit oder boomendes Wirtschaftszentrum).

Am Ende wird alles gut. Mit gesundem Menschenverstand, Menschlichkeit und Pippa Bolle lassen sich eben nicht nur Kriminalfälle sondern auch (fast) alle anderen Fälle lösen.