Ein Leben in Haft

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meinekleinebüchersucht68 Avatar

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Boris Becker, ein Mann, der schon sehr früh im Rampenlicht stand. Mit 17 Jahren wurde er zum jüngsten Wimbledonsieger aller Zeiten und was danach folgte, war eine beispiellose Karriere. David Cup Sieger, Olympiagold im Doppel (Partner Michael Stich), Australian Open oder Sieger der ATP-Weltmeisterschaft, um nur einige seiner vielen Erfolge zu nennen. Dank seiner zahlreichen Turniersiege „flatterten“ ihm einige lukrative Werbeverträge ins Haus. Ab diesen Zeitpunkt könnte man glauben, dass Boris Becker sein Leben lang ausgesorgt hat. Leider ist dem nicht so, denn der junge Mann hat viel Geld für sein luxuriöses Leben ausgegeben und hinzu kamen schlechte Berater, die mehr Geld in ihre Taschen gewirtschaftet haben als in seine. Gescheiterte Beziehungen und schlechte Presse machten die Situation nicht besser. Eher im Gegenteil. Die Presse stürzte wie die Aasgeier, auf jede noch so kleine „Entgleisung“, auf ihn. Seine Insolvenz inkl. Insolvenzverschleppung, war das gefundene Fressen und als sich Boris Becker vor dem britischen Gericht erklären musste, war dies mehr als nur eine Schlagzeile wert. Der Richterspruch lautete: zweieinhalb Jahre Haft und genau über diese Zeit hat Boris Becker das Buch „Inside“, dass im September 2025 im Ullstein EXTRA Verlag erschienen ist, geschrieben.

Obwohl ich kein Fan von Boris Becker bin und auch die damaligen Gerichtsverhandlungen nicht verfolgt habe, wollte ich dieses Buch unbedingt lesen. Für mich ist es immer sehr interessant, wie die betreffenden Menschen die Sicht der Dinge sehen und erzählen. Was bewegt Boris? Mit welchen Gedanken setzt er sich auseinander? Was bedeute der Haftaufenthalt für ihn? Wie denkt er über die damaligen Geschehnisse? Empfindet er sowas von Reue? Wo und wie sieht er seine Zukunft? All diese Aspekte wollte ich in diesem Buch erfahren und hoffte, auf die eine oder andere Antwort.

Der Schreibstil ist sehr sachlich gehalten, aber dennoch sehr prägnant. In diesem Buch geht es in erster Linie um den Prozess vor dem britischen Gericht und der dazugehörigen Haftstrafe, die zweieinhalb Jahre beträgt. Info: davon muss Boris Becker nur siebeneinhalb Monate verbüßen und danach erfolgt die Abschiebung nach Deutschland. Was mir besonders gut gefallen hat, dass er immer wieder seine Gedanken auf seine damalige Karriere abschweifen lässt. Er lässt seine aktive Zeit als Tennisspieler Revue passieren. Vieles was damals um ihn herum passiert ist, hinterfragt er wie z.B.: Was wäre gewesen, wenn ich nicht mit 17 Jahren Wimbledon gewonnen hätte, sondern ein paar Jahre später? Oder waren meine damaligen Freundinnen nur mit mir zusammen, weil ich der erfolgreiche deutsche Tennisspieler bin, der auch ein gut gefülltes Bankkonto besitzt? Zwei Fragen, mit denen sich ein heutiger Boris Becker bestimmt schon ein paar Mal beschäftigt hat. Was mich ein wenig verwundert, denn diese Fragen hätte ich mir schon früher gestellt. An dieser Stelle merkte man, dass er mit der damaligen Situation (früher Erfolg, Ruhm und Geld) komplett überfordert war, was sein naives Verhalten ein wenig erklärt. Dies bezieht sich auch auf seine damaligen Berater, denen er viel zu blauäugig vertraute (im Nachhinein ist man fast immer klüger). Seine detaillierten Erzählungen über die Haftstrafe in zwei britischen Gefängnissen wirkten sehr authentisch und glaubwürdig. Besonders seine Ängste, die sich nicht nur auf Übergriffen von anderen Häftlingen bezieht, sondern auch was seine Zukunft anbelangte, waren stets präsent. Seinen mentalen Halt fand er u.a. in seinem Glauben, in seiner neuen großen Liebe namens Lilian und in seinen Kindern, die stets zu ihm hielten und für ihn da waren. Leider musste er auch private Rückschläge hinnehmen. Angebliche Freunde, die er in dieser Krise gebraucht hätte, haben ihn im Stich gelassen. Auch wenn es hart klingt: jetzt weiß er ganz genau, auf wen er sich verlassen kann und auf wen nicht!
Hier und da werden Briefe veröffentlicht, die ihm während seiner Haft erreicht haben. Schade, dass er, uns Lesern, den Brief von Michael Stich vorenthalten hat. Umso mehr freut es mich, dass die „angeblichen Erzrivalen“ (laut Presse) in schweren Stunden zueinander fanden, um Halt zu geben.

Abschließend gibt es einen kleinen Einblick in sein neues Leben, dass er als Ehemann an Lilians Seite in einem neuen Land gefunden hat.

Fazit: „Inside“ ist ein sehr persönlicher Einblick in ein Leben eines ehemaligen Tennisspielers, dem die Welt zu Füssen lag. Einst hochgejubelt und dann der tiefe Fall. Ich bin der Meinung, dass dieses Buch (vor allen Dingen für Boris Becker) sehr wichtig ist. Es gibt den Leser die Möglichkeit, ein wenig hinter die Kulissen von Boris Beckers Leben zu schauen. Auch wenn einiges vielleicht nicht nachvollziehbar ist, so scheint Boris Becker seinen Weg gefunden zu haben. Die Haft hat ihm die Möglichkeit zu geben, um über vieles nachzudenken und allen voran zu überdenken. Ich hoffe, dass er seine Gedanken, Wünsche oder gar Träume irgendwann umsetzt, um, mit den Menschen, die ihm wirklich wichtig sind, ein ruhigeres Leben führen zu können. Alles Gute Boris Becker!

Dieses Buch konnte einige Fragen beantworten, aber die eine oder andere blieb offen.