Einfach zu viele Worte
Natürlich ist man gespannt was Boris Becker erzählen wird, man weiß, mit Inside ist gemeint, im Gefängnis zu sein, drinnen nicht draußen, trotzdem erweckt gerade das Cover des Buches den Eindruck, man könnte auch ein wenig den inneren Boris kennenlernen.
Vielleicht tut man das auch und muss am Ende des Buchs feststellen, möglicherweise ist einfach nicht mehr dran am Boris, als viel Oberfläche und ein paar Ansätze zu echter Tiefe.
Man hofft einen Boris kennenzulernen jenseits des medialen Bildes das man von ihm hat, ist gespannt auf seine Auseinandersetzung mit dem Stoizismus und ist am Ende des Buches enttäuscht.
Die ersten Kapitel sind wirklich spannend und man denkt, „wow“ ein tolles Buch, doch schon nach dem ersten Drittel stellen sich Ermüdungserscheinungen beim Lesen ein.
Er erzählt, direkt nach der Entlassung aus dem Gefängnis, ein Interview gegeben zu haben, weil er Geld verdienen muss. So drängt sich der Eindruck auf, das Buch dient hauptsächlich diesem Zweck.
Auf vergleichsweise dickem Papier sind knapp 350 Seiten beschrieben, davon hätte mir auch die Hälfte gereicht. Es wäre dann halt ein recht dünnes, wenig attraktives Büchlein geworden. Auch ein Bildband wäre eine Idee gewesen, so hätte man nicht die ewig langen Beschreibungen längst vergangener Matches lesen müssen, sondern ein paar Fotos davon anschauen können.
Jeder, der das Buch liest, weiß um seinen ersten Wimbledon Sieg. Diesen Fakt immer wieder hervorzuheben, ist einfach nur ermüdend. Genauso wie die langen Beschreibungen anderer Sportarten.
Am spannendsten liest sich die Beschreibung des Gefängnisalltags und der Mitgefangenen, doch auch hier werden einfach zu viele Worte bemüht und die Darstellung der Frage, sind moralische Unterschiede zwischen Betrügern und Mördern angebracht und wenn ja, warum? erscheint mir nicht durchdacht und auch im Verhältnis zum ganzen Text zu kurz gekommen.
Obwohl Herr Becker immer wieder betont, auch Fehler gemacht zu haben, erfährt man nie welche er damit wirklich meint, denn wie er anführt, wäre er für seine in England begangenen Straftaten in Deutschland nicht ins Gefängnis gekommen. So nehme ich hauptsächlich wahr, was für ein guter Mensch der Boris ist, wie er seinen Mitgefangenen hilft und beisteht und dafür am Ende sogar einen tollen Geburtstagskuchen von ihnen bekommt.
Auch schreibt er nur einmal kurz am Ende des Buches, dass er vier Kinder hat. Sehr oft erwähnt werden dagegen seine zwei Söhne Noah und Elias. Da fragt man sich schon, ob etwaige Versäumnisse seinen beiden anderen Kindern Anna Ermakova und Amadeus Becker gegenüber Fehler sind, die noch nicht erkannt wurden.
So bin ich froh, das Buch bei Vorablesen gewonnen zu haben und kein Geld dafür ausgegeben zu haben. Eine andere gute Möglichkeit wäre sonst noch die Stadtbücherei gewesen, da hätte ich nach dem ersten Drittel aufgehört es zu lesen und wieder zurück gebracht.