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Hechtsprung in die Normalität

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ron_robert_rosenberg Avatar

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Boris Becker wurde 1985 mit seinem überraschenden Wimbledon-Sieg zum Nationalhelden. Mit seinem Becker-Hecht und seinem schnellen Aufschlag eroberte der erst 17jährige Bum-Bum-Boris die Herzen der Zuschauer im Sturm.
Nach dem Ende seiner Tennis-Karriere geriet der dreimalige Wimbledon-Sieger in einen Abwärtsstrudel, der im britischen Gefängnis endete.
In seinem Buch „Boris Becker Inside“ schildert Boris Becker seine Zeit als Häftling.
Er beschreibt ausführlich seine Erlebnisse während der acht Monate dauernden Haft, beginnend ab dem Tag der Urteilsverkündung bis zu seiner Entlassung. Hierbei beschränkt er sich aber nicht auf die tatsächlichen Geschehnisse, sondern gewährt uns einen überraschend ehrlichen Einblick in seine Gefühls- und Gedankenwelt.
So erfahren wir, dass Boris nach seiner anfänglichen Verzweiflung über das Urteil durch einen Stoizismus-Kurs gelernt hat, die Zeit im Gefängnis dafür zu nutzen, sein Leben Revue passieren zu lassen und zu sich selbst zu finden. Er lässt uns an seinen Erinnerungen teilhaben, wie er 1985 unverhofft zum jüngsten Wimbledon-Sieger wurde und sich sein Leben dadurch über Nacht veränderte, wie er seine Frau Lilian kennenlernte, wie er in die Insolvenz rutschte und letztendlich zu seiner Haftstrafe verurteilt wurde. Auch über seine Begegnungen mit anderen Tennisspielern denkt Boris nach.
Im Gefängnis muss er zum einen lernen, sich in die dortige Hack-Ordnung einzufügen und zu erkennen, welchen Häftlingen er vertrauen kann. Er schließt hier sogar Freundschaften.
Zum anderen erfährt Boris, welche Menschen sich nun von ihm abwenden und wer auch in dieser schweren Zeit noch zu ihm hält. Aufgelockert wird das Buch durch abgedruckte Briefe, die Boris im Gefängnis erhalten hat. Menschen aus aller Welt haben ihm geschrieben und ihm Mut zugesprochen, sowohl ehemalige Weggefährten als auch Fans.
Mir hat dieses Buch ausgesprochen gut gefallen, weil Becker selbstkritisch resümiert, warum er trotz oder vielleicht auch gerade wegen seiner großen Karriere ganz unten angekommen ist. Er nutzt diese Gelegenheit auch dafür, mit vielen Falschmeldungen in der deutschen Presse aufzuräumen und deutlich zu machen, dass er entgegen anderslautender Berichte keine Sonderbehandlung im Gefängnis erhalten hat.
Ich empfehle das Buch jedem Boris-Becker-Fan, aber auch allen anderen, die einen Einblick in den Alltag von (britischen) Gefängnissen erlangen wollen und / oder sich für die Lebensgeschichte des jüngsten Wimbledon-Siegers interessieren.