Irgendwie nicht, was ich erwartet habe

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
madame—rivkele Avatar

Von

Ich habe mich wahnsinnig darauf gefreut "Intermezzo" von Sally Rooney zu lesen. Man kommt ja momentan auch gar nicht um dieses Buch herum. "Ihr bestes Buch" heißt es, oder "Sally Rooney ist die Swift der Bücher" (so stand es in einem italienischen Büchermagazin). Der Fairness halber muss man sagen, dass es auch kritische Stimmen gab - nicht was den Roman angeht, sondern bezüglich Rooneys Entscheidung, eines ihrer Bücher nicht von einem Verlag ins hebräische übersetzen zu lassen, der sich nicht ausdrücklich von der dort herrschenden Politik distanziert.

Im Roman geht es um Ivan und Peter, zwei Brüder mit großem Altersabstand, die nur wenig miteinander zu tun haben. Peter ist Anfang 30, setzt sich als Anwalt für Gleichberechtigung und Menschenrechte ein und unterrichtet außerdem an der Uni. Ivan ist erst Anfang 20 und abgesehen vom Schachspielen weiß er eher weniger, was er in seinem Leben anfangen möchte.
Nach dem Tod ihres Vaters suchen beide Brüder Halt bei Frauen. Während Peter bemerkt, dass er zwei Frauen liebt, eine davon in Ivans Alter, verliebt sich Ivan selbst in eine geschiedene Frau Mitte 30.

Ihr könnt es euch vorstellen: es geht maßgeblich darum, dass ein Altersunterschied nur dann gesellschaftlich akzeptiert ist, wenn der Mann älter als die Frau ist. Genauso, wie Monogamie das einzig gesellschaftlich akzeptierte Beziehungsmodell ist.

Rooney Sprachstil ist sehr besonders und erinnert ein wenig an Ulysses von James Joyce. Anführungszeichen fallen weg und viele der Sätze enden im nichts. Es ist eine schöne Sprache, die es erlaubt, sich die Handlung bildlich vorzustellen.

Ich glaube, wäre es nicht so lang gewesen, hätte mir das Buch besser gefallen. Aber so habe ich die beiden Brüder auf knapp 500 Seiten begleitet, ohne dass mir auch nur einer von beiden wirklich sympathisch oder mir ans Herz gewachsen wäre.
Um vielleicht noch etwas positives zu sagen: Der Roman ist voller Konsens (zumindest in sexueller Hinsicht) und es ist wirklich wirklich schön ein Buch zu lesen, in dem das der Fall ist.