Über zwischenmenschliche Beziehungen

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springtoiffel Avatar

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Ein menschliches Drama über unterdrückte Trauer, Entfremdung in der Familie, Akzeptanz und ungleiche Partnerschaften.

Im Mittelpunkt stehen die Brüder Peter (Anwalt Anfang 30) und Ivan (angehender Profi-Schachspieler Anfang 20) und deren mangelnder Umgang mit dem kürzlichen Tod ihres Vaters - sowie deren aktuelles Liebesleben.
Peter hängt immer noch seiner Ex-Freundin Silvia nach, die sich nach ihrem Unfall (der im ganzen Roman nicht aufgeklärt wird) von Peter getrennt hat, um ihm nicht sein Leben zu ruinieren. Peter hatte seither mehrere Partnerinnen, kam aber nie wirklich von Silvia los. Seine aktuelle feste Freundin, Naomi (Anfang 20) weiß über Silvia Bescheid und akzeptiert Peters platonische Liebe zu seiner Ex. Womit Peter allerdings nicht gerechnet hatte, war, sich wirklich in Naomi zu verlieben.
Schockiert erfährt er, dass sein 10 Jahre jüngerer Bruder (ein attraktives Mauerblümchen) eine feste Beziehung mit Margaret hat, die nochmal einige Jahre älter als Peter selbst ist.
Dies, sowie die inneren brodelnden Konflikte der beiden, führen zu zwei Konfrontationen zwischen ihnen.

Geschrieben ist der Roman aus Sicht von Peter, Ivan und Margaret. Ein Großteil der Handlungen beläuft sich auf lange Dialoge, die schonmal ein ganzes Kapitel einnehmen. Wir tauchen dabei in die Gedanken und die Gefühlswelt der Figuren ein und erstellen uns somit selbst ein Bild von ihnen, fernab der Charakterisierung durch andere.
So beschreibt beispielsweise Peter seinen Bruder Ivan als, Zitat, "autistisch" - durch die abgehackte Schreibweise, die wirren Gedankengänge, die suizidäre Tendenz und den starken Alkohol- sowie Medikamentenmissbrauch wissen wir, die Leser, aber, dass Ivan der wesentlich normalere der Brüder ist und durch seine Schüchternheit und fehlende Lebenserfahrung einfach nur merkwürdig auf andere wirkt.

Das Einzige, was mir an diesem Buch nicht gefallen, was sich logischerweise aber leider in Gegenwartsliteratur nicht vermeiden lässt, sind (mir verhasste) Bezüge auf die Gegenwart - Online-Jobs, die Pandemie, Gedanken zu Feminismus, Polyamorie, Faschismus, Incels und der Lebensunterhalt Naomis durch Onlineverkauf von Nacktfotos.
Jeder Mensch hat andere Toleranzschwellen; für mich ist keines dieser Themen positiv und als Eskapist will ich in meinen Medien nicht mit so etwas belästigt werden.
Wer sich jetzt denkt "Die Themen stören mich doch nicht!", der kann sich gerne den letzten Stern noch dazudenken. Wie gesagt, mich stört das einfach und deshalb kann ich den Roman nicht in meinen persönlichen Literaturhimmel erheben, weil mich an den anderen Büchern im 5-Sterne-Club halt einfach nix stört.

Alles in allem habe ich das Buch verschlungen - in einem für mich wirklich ungewöhnlichen Zeitraum von nur 3 Tagen.
Die Charaktere wachsen einem allesamt ans Herz, das Buch hat seine traurigen Momente und wird dank seinem ungewohnt lebensbejahenden Ende noch lange im Gedächtnis bleiben.